Wir bewohnen freilich nur einen Teil – mein Vater und ich.
Er ist kränklich, und wir führen ein ganz ruhiges Leben. Ich
habe mehrere Brüder, aber sie sind nur selten hier. Zwei
Frauen helfen bei der Arbeit: Mrs. Kidder jeden Morgen und
Mrs. Hart dreimal wöchentlich, um das Messing zu putzen
und dergleichen. Sie haben einen eigenen Wagen?»
«Ja. Aber er kann im Freien stehen, wenn er sich
nirgends unterbringen läßt. Er ist es gewohnt.»
«Oh, es sind genügend alte Ställe vorhanden. Die Unterbringung
des Wagens macht keine Schwierigkeiten.» Miss
Crackenthorpe schwieg einen Augenblick und fuhr dann
fort: «Eyelesbarrow ist ein ungewöhnlicher Name. Freunde
von mir erwähnten einmal eine Lucy Eyelesbarrow – die
Kennedys.»
«Ja. Ich war bei ihnen in North Devon, als Mrs. Kennedy
ein Kind erwartete.»
Emma Crackenthorpe lächelte.
«Sie waren ganz begeistert von Ihnen, Sie hätten sic h um
alles so hervorragend gekümmert. Aber ich dachte, Sie stellten
sehr hohe Forderungen? Die Summe, die ich nannte -»
«Das geht in Ordnung», sagte Lucy. «Mir liegt in erster
Linie daran, in der Nähe von Brackhampton zu sein. Dort
wohnt eine alte Tante von mir, um deren Gesundheit es
schlecht bestellt ist, und ich möchte sie leicht erreichen können.
Darum spielt das Gehalt eine untergeordnete Rolle. Ich
kann es mir nur nicht leisten, gar nichts zu tun. Aber es ist
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mir wichtig, täglich einige freie Stunden zur Verfügung zu
haben.»
«Selbstverständlich. Sie können jeden Nachmittag bis
sechs Uhr frei haben, wenn Ihnen das genügt.»
«Ausgezeichnet.»
Miss Crackenthorpe zögerte etwas, bevor sie sagte:
»Mein Vater ist ziemlich alt und bisweilen – etwas
schwierig. Er hält sehr auf Sparsamkeit, und manchmal sagt
er Dinge, die die Leute vor den Kopf stoßen. Ich möchte
nicht gern -»
Lucy unterbrach sie schnell:
«Ich bin an ältere Leute jeder Art gewöhnt», sagte sie.
«Ich komme stets gut mit ihnen zurecht.»
Emma Crackenthorpe atmete erleichtert auf.
Es wurde Lucy ein großes, ziemlich düsteres
Schlafzimmer angewiesen. Dann zeigte ihr Miss
Crackenthorpe das Haus, das einen recht unwohnlichen
Eindruck machte. Als sie an einer Tür in der Halle
vorübergingen, brüllte jemand von drinnen:
«Bist du’s, Emma? Das neue Mädchen da? Bring es
rein!»
Emma errötete und blickte Lucy, um Verständnis bittend,
an.
Die beiden Frauen traten in das Zimmer. Das schmale
Fenster ließ nur wenig Licht herein, und der Raum war mit
schweren Mahagonimöbeln vollgestellt.
Der alte Mr. Crackenthorpe saß in einem Rollstuhl, einen
Stock griffbereit neben sich. Er war ein großer, magerer
Mann, hatte ein Gesicht wie eine Bulldogge und mißtrauisch
blickende Augen.
«Lassen Sie sich ansehen, junge Frau.»
Lucy trat vor und blickte ihn lächelnd an.
«Eins müssen sie von vornherein wissen. Daß wir in
einem großen Haus wohnen, bedeutet nicht, daß wir reich
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sind. Wir sind nicht reich. Wir leben einfach. Hören Sie?
Einfach! Machen Sie sich keine übertriebenen Vorstellungen.
Kabeljau ist allemal ein ebenso guter Fisch wie Steinbutt.
Vergessen Sie das nicht. Ich hasse jede Verschwendung.
Ich lebe hier, weil mein Vater das Haus gebaut hat und
es mir gefällt. Wenn ich tot bin, können sie es verkaufen,
wenn sie wollen. Ich nehme an, sie werden es tun. Haben
keinen Familiensinn. Das Haus ist gut gebaut, es ist solide,
und wir haben unser eigenes Land rundherum. Leben ganz
für uns. Der Besitz würde viel Geld einbringen, wenn er als
Baugrund verkauft würde. Aber nicht, solange ich lebe. Sie
werden mich nicht hier herausbekommen, es sei denn: die
Füße voran.»
«Ihr Haus ist Ihre Burg», bemerkte Lucy.
«Machen Sie sich lustig über mich?»
«Ganz und gar nicht. Ich finde es sehr aufregend, mitten
in der Stadt einen Landsitz zu haben.»
«Ganz recht. Man sieht kein anderes Haus von hier aus,
nicht wahr? Felder mit Kühen darauf – mitten in Brackhampton.
Man hört den Verkehr ein wenig, wenn der Wind
entsprechend steht – aber sonst ist es ganz still.»
Ohne eine Pause zu machen oder den Ton zu ändern, fuhr
er, an seine Tochter gewandt, fort:
«Ruf bei dem verwünschten Narren, dem Doktor, an. Sag
ihm, die letzte Medizin tauge nichts. Und laß die verflixte
Frau, die immer herumschnüffelt, hier drinnen keinen Staub
mehr wischen. Sie hat alle meine Bücher durcheinandergebracht.
»
Als sie wieder draußen waren, fragte Lucy: «Ist Mr.
Crackenthorpe schon lange kränklich?»