Nacht nach Rutherford Hall. Es war schon dunkel, als die
Tote aus dem Zug fiel, und es stand nicht zu befürchten, daß
sie vor dem nächsten Tag gefunden würde.»
«Nein, bestimmt nicht>, bekräftigte Lucy.
«Auf welche Weise ist der Mörder nun an den Schauplatz
des Verbrechens zurückgekehrt? In einem Wagen? Welchen
Weg könnte er dann benutzt haben?»
Lucy überlegte.
«An einer Fabrikmauer entlang führt ein Heckenweg, auf
dessen anderer Seite sich der Eisenbahndamm befindet.
Durch eine Unterführung gelangt man auf einen Fahrweg,
der zum Innenhof von Rutherford Hall führt. Er konnte am
Fuße des Bahndamms entlanggehen, die Leiche holen und
zum Wagen tragen.»
«Und dann», fuhr Miss Marple fort, «brachte er sie an
einen Ort, den er schon von vornherein dafür ausersehen
hatte. Es war alles genau geplant, und ich glaube nicht, daß
er die Tote von Rutherford Hall weggeschafft hat, oder doch
jedenfalls nicht sehr weit. Das Nächstliegende wäre, daß er
sie irgendwo vergraben hat.»
Sie blickte Lucy fragend an.
«Ja, es scheint so», erwiderte Lucy nachdenklich. «Aber
das wäre nicht so leicht gewesen, wie es klingt.»
Miss Marple stimmte zu.
«Er konnte sie nicht im Park begraben. Das würde zuviel
Arbeit machen und zu leicht bemerkt werden. Vielleicht irgendwo,
wo die Erde schon aufgeworfen war?»
«Möglicherweise im Küchengarten, aber der ist zu nahe
am Häuschen des Gärtners. Er ist zwar alt und ziemlich taub,
aber es wäre trotzdem zu riskant.»
«Ist ein Hund da?» fragte Miss Marple.
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«Nein.»
«Dann kommt vielleicht ein Schuppen oder ein Nebengebäude
in Betracht.»
«Das wäre einfacher und ginge schneller… Es gibt eine
ganze Menge alter Gebäude, die nicht benutzt werden:
Ställe, Werkstätten, baufällige Schweinekoben, Geräteschuppen
und dergleichen.»
Miss Marple nickte:
«Ja, ich glaube, das ist sehr viel wahrscheinlicher.»
In dem Moment erschien Florence mit einem Tablett.
«Ich denke, meine Liebe», schloß Miss Marple, «wir
sprechen jetzt nicht mehr über den Mord, solange wir beim
Tee sitzen. Es ist ein zu unerfreuliches Thema.»
Nach dem Tee standen sie auf.
« Es fängt an, dunkel zu werden», sagte Lucy. «Wie ich
schon bemerkte, ist gegenwärtig niemand in Rutherford
Hall, der der Täter sein könnte, den wir suchen. Es wohnen
dort nur ein alter Mann, eine Frau in mittleren Jahren und
ein halbtauber Gärtner.»
«Ich sagte nic ht, daß er zur Zeit dort wohnen muß»,
berichtigte Miss Marple. «Ich meine nur, es muß jemand
sein, der Rutherford Hall sehr gut kennt. Aber darüber
können wir sprechen, wenn Sie die Leiche gefunden haben.»
«Sie scheinen voller Zuversicht zu sein, daß ich sie
finde», meinte Lucy. «Ich bin bei weitem nicht so
optimistisch.»
«Natürlich werden Sie sie finden, meine liebe Lucy. Sie
sind ja ein so tüchtiges Mädchen.»
«Vielleicht in mancher Hinsicht, aber im Finden von Leichen
habe ich wenig Erfahrung.»
«Man braucht sicher nichts anderes als gesunden Menschenverstand
dazu», versuchte Miss Marple sie aufzumuntern.
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Am nächsten Nachmittag machte sich Lucy systematisch
an die Arbeit. Sie stöberte in den Nebengebäuden und
Schuppen herum, stocherte in den Dornbüschen, von denen
die alten Schweinekoben umgeben waren, und blickte in den
Kesselraum unter dem Gewächshaus. Als sie plötzlich ein
trockenes Hüsteln hörte, drehte sie sich um. Der alte Gärtner
Hillmann schaute ihr mißbilligend zu.
«Passen Sie auf, Miss, daß Sie nicht zu Schaden
kommen», warnte er sie. «Die Treppe ist nicht sicher. Sie
waren eben auf dem Speicher, und da ist der Fußboden auch
nicht sicher.»
Lucy hütete sich, verlegen auszusehen.
«Sie halten mich sicher für sehr neugierig», sagte sie lä –
chelnd. «Ich überlege gerade, ob sich aus diesem Raum hier
nichts machen ließe. Man könnte vielleicht Pilze züchten
oder dergleichen. Alles macht einen so vernachlässigten Eindruck.
»
«Das liegt am Herrn. Er will kein Geld ausgeben.»
«Aber wenn man etwas Geld in Reparaturen steckte,
würde es sich bald bezahlt machen.»
«Dazu ist alles schon viel zu verfallen. Man müßte eine
große Summe hineinstecken, und darauf würde sich der Herr
nie einlassen. Er denkt nur ans Sparen. Dabei weiß er ganz
genau, was geschehen wird, wenn er nicht mehr da ist: Die
jungen Herren werden den Besitz so schnell wie möglich
verkaufen. Sie warten nur darauf, daß er abkratzt. Kriegen
einen hübschen Batzen Geld, wenn er tot ist.»
«Er ist wohl sehr reich?» fragte Lucy.
«Crackenthorpes Galanteriewaren. Der alte Herr, Mr.