Padington by Agatha Christie

mich hinlegen.»

Er schlurfte wieder aus der Bibliothek.

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«Alfreds Verhältnis?» sagte Bacon, den Kopf schüttelnd.

«Meiner Meinung nach hat der alte Mann das glatt erfunden.

Ich persönlich halte es für ausgeschlossen. Alfred ist vielleicht

in mancher Hinsicht ein unzuverlässiger Kunde. Aber

er ist nicht der Mann, den wir suchen. Ich denke mehr an

den von der Air Force.»

«Bryan Eastley?»

«Ja. Ich habe hin und wieder Gelegenheit, diesen Typ

kennenzulernen. Diese Menschen sind sozusagen heimatlos

in der Welt, haben zu früh in ihrem Leben Tod und

Abenteuer kennengelernt. Jetzt finden sie das Leben zu

zahm und daher unbefriedigend. Wir sind nicht ganz

unschuldig daran, ha ben sie nicht behandelt, wie wir es

hätten tun sollen. Ich weiß allerdings nicht, woran wir es

haben fehlen lassen. Sie sind nun einmal da – lauter

Vergangenheit und keine Zukunft sozusagen. Leute, denen

es nicht darauf ankommt, etwas zu riskieren. Der

Durchschnittsmensch ist aus Instinkt auf seine Sicherheit

bedacht – weniger aus moralischer Gesinnung denn aus

Klugheit. Aber diese Leute haben keine Angst. Das Wort

Sicherheit existiert nicht in ihrem Wortschatz. Wenn Eastley

mit einer Frau ein Verhältnis hatte und sie loswerden wollte .

. .» Er brach ab und zuckte ratlos die Achseln. «Aber warum

sollte er den Wunsch gehabt haben, sie loszuwerden, sie zu

töten? Und wenn man schon eine Frau tötet, dann legt man

sie doch nicht gerade in den Sarkophag des Schwiegervaters?

Nein, wenn Sie mich fragen: Keiner von ihnen allen

hat mit dem Mord etwas zu tun. Hätten sie etwas damit zu

tun, dann würden sie sich nicht die Mühe gemacht haben,

die Leiche sozusagen vor die Hintertürschwelle ihres Hauses

zu legen. Haben Sie sonst noch etwas zu tun hier?»

Craddock verneinte, worauf Bacon vorschlug,

gemeinsam nach Brackhampton zurückzufahren und bei ihm

eine Tasse Tee zu trinken.

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Inspektor Craddock lehnte die Einladung ab mit der

Erklä rung, er wolle noch eine alte Bekannte aufsuchen.

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Miss Marple blickte Inspektor Dermot Craddock

zufrieden lächelnd in die Augen.

«Ich freue mich so», meinte sie, «daß man gerade Sie mit

diesem Fall beauftragt hat. Ich habe es gehofft.»

«Als ich Ihren Brief bekam», erwiderte Craddock, «ging

ich damit sofort zum Chef. Zufälligerweise hatte er gerade

davon gehört, daß die Leute in Brackhampton unsere Hilfe

wünschten, da sie offenbar der Meinung waren, es handle

sich nicht um ein Verbrechen, das nur die lokalen Behörden

anginge. Der Chef hörte mit Interesse, was ich ihm über Sie

erzählte. Er hatte, wenn ich recht verstehe, von meinem

Paten schon dies oder das über Sie gehört.»

«Der gute Sir Henry!» murmelte Miss Marple liebevoll.

«Er sagte, da es sich um eine ganz verrückte Geschichte

in Verbindung mit zwei alten Damen handle und da ich eine

von diesen alten Damen bereits kennen würde, möchte er

den Fall mir übertragen. Und so bin ich also hier. Nun,

meine liebe Miss Marple, wie Sie sehen, habe ic h keinen

meiner Leute mitgebracht. Sie werden daraus mit Recht

schließen, daß es sich um keinen offiziellen Besuch handelt.

Wir wollen nur einmal gemütlich miteinander plaudern.

Miss Marple lächelte.

«Was hat man Ihnen denn bereits erzählt?»

«Ich denke: alles. Ich kenne die ursprüngliche Vernehmung

Ihrer Freundin Mrs. McGillicuddy durch die Polizei in

St. Mary Mead. Ich kenne die Aussage des Schaffners und

auch die Botschaft, die Ihre Freundin dem Bahnhofsvorsteher

in Brackhampton zukommen ließ. Alle erforderlichen

Nachforschungen wurden in die Wege geleitet, sowohl von

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den Eisenbahnern wie von der Polizei. Aber es besteht kein

Zweifel, daß Sie alle mit Ihrer geradezu phantastischen Geschichte

im Raten übertrumpft haben.»

«Nicht im Raten», verwahrte sich Miss Marple.

«Übrigens hatte ich einen sehr großen Vorteil. Niemand

außer mir kannte Elsbeth McGillicuddy. Es gab niemanden,

der ihre Geschichte hätte bestätigen können. Und da keine

Vermißtenmeldung eingegangen war, mußte man natürlich

annehmen, es handle sich um die phantasievoll

ausgeschmückte Geschichte einer älteren Dame. Aber ich

kenne Mrs. McGillicuddy!»

«Ich hoffe, daß ich sie ebenfalls kennenlernen werde»,

erwiderte der Inspektor. «Ich wünschte, sie wäre nicht nach

Ceylon gereist. Übrigens haben wir veranlaßt daß sie dort

befragt wird.»

«Mein Gedankengang war übrigens gar nicht originell»,

nahm Miss Marple das Gespräch wieder auf. «Es findet sich

alles bei Mark Twain; Sie kennen doch die Geschichte von

dem Jungen, der das Pferd fand? Er sagte sic h, er brauche

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