Nachforschungen angestellt und die Frau erschreckt. Sie
sagen, dem sei nicht so. Es ist aber immer noch möglich, daß
einer Ihrer Brüder etwas dergleichen getan hat. Vielleicht
hatte diese Martine ein dunkles Vorleben, das bei
Nachforschungen ans Tageslicht gekommen wäre. Sie mag
angenommen haben, sie habe es nur mit Edmunds
gefühlvoller Schwester zu tun, nicht mit argwöhnischen Geschäftsleuten.
Vielleicht hoffte sie, von Ihnen für das Kind
Geld zu bekommen, ohne daß viele Fragen gestellt würden.
Statt dessen machte sie die Entdeckung, daß sie mit ganz
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anderen Schwierigkeiten zu rechnen hatte. Schließlich hätten
sich gravierende Folgen gesetzlicher Art ergeben. Hatte Edmund
Crackenthorpe einen ehelichen Sohn hinterlassen,
wäre dieser doch einer der Erben des Vermögens Ihres
Großvaters.»
Emma nickte.
«Außerdem würde er, wenn ich recht unterrichtet bin, zu
gegebener Zeit Rutherford Hall und den Grund und Boden,
der als Bauland hohen Wert besitzt, ebenfalls erben.»
Emma schien leicht erschrocken.
«Ja. Daran habe ich noch gar nicht gedacht.»
«Nun, ich würde mir weiter keine Gedanken machen»,
sagte Inspektor Craddock. «Es ist gut, daß Sie zu mir
gekommen sind. Ich werde Nachforschungen anstellen
lassen, aber ich halte es für sehr wahrscheinlich, daß
zwischen der Frau, die den Brief schrieb – vielleicht in
betrügerischer Absicht -, und der Frau, die als Leiche im
Sarkophag gefunden wurde, keinerlei Zusammenhang
besteht.»
Emma stand mit einem Seufzer der Erleichterung auf.
«Ich bin froh, daß ich es Ihnen erzählt habe.»
Craddock begleitete sie zur Tür.
Dann ließ er Sergeant Wetherall kommen.
«Bob, ich habe Arbeit für Sie. Gehen Sie zu 126 Elvers
Crescent, Nr. zo. Nehmen Sie Fotografien von der Frau mit,
die im Sarkophag gefunden wurde. Sehen Sie zu, was Sie
über eine Frau erfahren können, die sich Mrs. Martine
Crackenthorpe nennt und die dort entweder gewohnt oder in
der Zeit vom 15. Dezember bis Ende des Monats ihre Briefe
abgeholt hat.»
«Jawohl, Sir.»
Craddock wandte sich verschiedenen Papieren zu, die auf
seinem Schreibtisch lagen. Am Nachmittag besuchte er
einen Freund, der eine Theateragentur hatte. Seine
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Nachforschungen verliefen ergebnislos. Als er in sein Büro
zurückkehrte, fand er ein Telegramm aus Paris auf seinem
Schreibtisch vor:
Ihre Beschreibung könnte auf Anna Strawinska vom
Ballett Maritski passen. Schlage vor, Sie kommen her.
Dessin,
Prefecture.
Craddock atmete auf, und seine Stirn glättete sich.
Er beschloß, die Nachtfähre nach Paris zu nehmen.
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«Es ist sehr freundlich von Ihnen, daß Sie mich zum Tee
eingeladen haben», sagte Miss Marple zu Emma Crackenthorpe.
Miss Marple war die typische reizende alte Dame. Sie
strahlte über das ganze Gesicht, während sie sich umblickte.
Sie betrachtete lächelnd Harold Crackenthorpe in seinem
tadellos dunklen Anzug, nickte mit einem bezaubernden
Lächeln Alfred zu, als er ihr die belegten Brote anbot, und
ließ ihren Blick beifällig auf Cedric ruhen, der mit finsterer
Miene in seiner schäbigen Jacke am Kamin stand.
«Wir freuen uns sehr, daß Sie kommen konnten», meinte
Emma höflich.
Nichts erinnerte an die Szene, die sich nach dem Lunch
abgespielt hatte, als Emma plötzlich sagte: «Ach, du meine
Güte! Ich habe ja Miss Eyelesbarrow erlaubt, ihre alte Tante
heute zum Tee mitzubringen.»
«Schieb sie ab!» hatte Harold grob gesagt. «Wir haben
noch eine Menge zu besprechen. Wir können hier keine
Fremden gebrauchen.»
«Laß sie nur kommen!» meinte Cedric. «Wir können sie
etwas über das Wundermädchen Lucy ausholen. Offen gestanden,
würde ich gern etwas mehr über diese Eyelesbarrow
wissen. Ich traue ihr nicht recht. Sie ist viel zu schlau.»
«Sie hat sehr gute Beziehungen», widersprach Harold.
«Ich habe Erkundigungen über sie eingezogen. Man muß
doch wissen, woran man mit ihr ist, wo sie doch hier herumstöberte
und die Leiche fand. Irgendwie merkwürdig.»
«Wenn wir nur wüßten, wer diese verflixte Frau war»,
sagte Alfred.
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«Ich muß schon sagen, Emma, du wußtest offenbar nicht,
was du tatest, als du zur Polizei gingst und ihr einredetest,
die tote Frau sei vielleicht Edmunds französische Freundin
gewesen. Die werden nun wahrscheinlich überzeugt sein,
daß einer von uns sie umgebracht habe.»
«Harold hat ganz recht», erklärte Alfred. «Ich weiß wirklich
nicht, was dir da in den Sinn gekommen ist. Seither
habe ich das Gefühl, daß ich überall von Kriminalbeamten
Überwacht werde.»
«Ich sagte, sie solle nicht zur Polizei gehen», versicherte
Cedric. «Aber Quimper hat sie aufgehetzt.»
«Das geht ihn gar nichts an», rief Harold zornig. «Der