Padington by Agatha Christie

durchgekämmt. Eine unappetitliche Sache! Und sie

hatten keine Ahnung, was sie eigentlich suchten. Wenn sie

eines Tages triumphierend zu Ihnen kommen, Inspektor, und

Ihnen ein zerknittertes Blatt Papier bringen, worauf zu lesen

steht: (Martine, wenn Dir Dein Leben lieb ist, dann bleib

dem «Langen Schuppen» fern!>, dann wissen Sie, daß ich

mich ihrer erbarmt und es im Schweinekoben versteckt

habe.»

«Warum im Schweinekoben?» fragte Miss Marple

interessiert. «Hält man Schweine in Rutherford Hall?»

«Heutzutage nicht mehr. Ich gehe nur manchmal hin.»

«Wer ist zur Zeit noch in Rutherford Hall?» fragte Craddock.

«Cedric ist da, und Bryan kommt übers Wochenende.

Harold und Alfred kommen morgen. Sie haben heute früh

angerufen. Ich hatte irgendwie den Eindruck, daß Sie ihnen

einen Floh ins Ohr gesetzt haben, Inspektor Craddock.»

Craddock lächelte.

«Ich habe sie ein bißchen aufgestört. Verlangte von ihnen

Auskunft, wo überall sie am Freitag, dem 2o. Dezember,

gewesen seien.»

«Konnten Sie es Ihnen sagen?»

«Harold konnte, Alfred nicht. Entweder weil er wirklich

nicht dazu in der Lage war, oder weil er nicht wollte.»

Inspektor Craddock blickte auf seine Uhr.

«Ich werde bald nach Rutherford Hall kommen, um mit

Cedric zu sprechen. Vorher aber möchte ich noch Dr. Quimper

einiges fragen.»

«Sie werden gerade zur rechten Zeit kommen. Er ist mit

seiner Sprechstunde für gewöhnlich um halb sieben fertig.

Aber ich muß nun fahren, damit ich mich dem Dinner widmen

kann.»

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«Ich würde gern noch Ihre Meinung über eine Sache hören,

Miss Eyelesbarrow. Wie denkt die Familie, wenn sie

unter sich ist, über Martine?»

Lucy erwiderte, ohne zu zögern:

«Sie sind alle wütend auf Emma, weil sie damit zu Ihnen

gegangen ist, Inspektor. Auch auf Dr. Quimper sind sie

wütend, denn er scheint Emma dazu ermutigt zu haben.

Harold und Alfred glauben, die Briefschreiberin habe versuchen

wollen, Geld aus ihnen herauszuholen. Sie glauben

nicht, daß es sich wirklich um Edmunds Witwe handelt.

Emma ist sich nicht recht klar darüber. Cedric gla ubt ebenfalls

nicht an die Identität der Briefschreiberin mit Martine,

aber er nimmt die Sache nicht so ernst wie die beiden

andern. Bryan wiederum ist überzeugt, daß kein Betrug

vorliegt.»

«Warum?»

«Bryan ist nun einmal so. Er nimmt die Dinge, wie sie

sich darbieten. Er glaubt, es sei Edmunds Gattin oder

vielmehr seine Witwe gewesen, und sie habe plötzlich nach

Frankreich zurückkehren müssen, man würde aber zur

gegebenen Zeit wieder von ihr hören. Die Tatsache, daß sie

seither nichts mehr von sich hat hören lassen, findet er ganz

natürlich, da er selber es nicht liebt, Briefe zu schreiben.

Bryan ist ein netter Kerl. Er gleicht einem Hund, der möchte,

daß man mit ihm spazierengeht.»

«Und Sie pflegen mit ihm spazierenzugehen, Miss Lucy,

nicht wahr?» fragte Miss Marple.

Lucy antwortete nicht gleich und blickte sie von der Seite

an.

«Es gehen ja so viele Herren in dem Haus aus und ein»,

meinte Miss Marple nachdenklich. «Und Sie sind ein hübsches

Mädchen. Man erweist Ihnen wohl viel Aufmerksamkeit?

»

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Lucy errötete leicht. Gewisse Bilder tauchten vor ihrem

inneren Auge auf. Da war Cedric, der sich an die Wand des

Schweinekobens lehnte. Da war Bryan, der niedergeschla –

gen auf dem Küchentisch saß. Da war Alfred, der ihre

Finger berührte, als er ihr half, die Kaffeetassen aufs Tablett

zu stellen.

«Männer», sagte Miss Marple in einem Ton, als spräche

sie von einer fremdartigen und gefährlichen Spezies, «sind

sich in gewisser Weise alle sehr ähnlich, mögen sie auch

schon sehr alt sein . . .»

«Alle Wetter!» rief Lucy. «Vor hundert Jahren hätte man

Sie sicher als Hexe verbrannt!»

Und sie erzählte, wie der alte Mr. Crackenthorpe ihr

einen bedingten Heiratsantrag gemacht hatte.

«Tatsache ist», sagte sie, «daß sie alle auf diese oder jene

Art mir sozusagen Anträge gemacht haben. Harold war sehr

korrekt. Er bot mir eine vorteilhafte Stellung in der City an.

Ich glaube nicht, daß ihre Aufmerksamkeit auf mein einnehmendes

Äußeres zurückzuführen ist. Sie müssen glauben,

ich wisse etwas.»

Sie lachte.

Aber Inspektor Craddock lachte nicht.

«Hüten Sie sich!» sagte er. «Es könnte sein, daß man Sie

ermordet, statt Ihnen Anträge zu machen.»

«Es wäre jedenfalls einfacher», stimmte Lucy zu.

Es überlief sie ein leichter Schauder.

«Man vergißt zu leicht, wie ernst die Sache ist», sagte sie.

«Die Jungen haben sich so gut amüsiert, daß man beinahe

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