«Vielen Dank!»
«Ich wünsche natürlich nicht, daß gerade Sie es sind»,
versicherte Alexander. «Ich kann Sie sehr gut leiden. Stoddart
auch. Wir sind der Meinung, eine solche Köchin gibt es
nur einmal. Das Essen war ganz prima. Und Sie sind auch
vernünftig.»
Letzteres war offenbar ein Ausdruck höchster Anerkennung.
Lucy faßte es so auf und sagte:
«Nett von euch. Aber ich habe nicht die Absicht, mich,
um euch einen Gefallen zu tun,
das Leben in London nicht bekommt. Er lernt dort die falschen
Frauen kennen.»
Er schüttelte betrübt den Kopf.
«Ich hab ihn sehr lieb», fuhr er fort. «Aber er braucht
jemanden, der sich um ihn kümmert. Er bummelt herum und
kommt mit den falschen Menschen in Berührung. Es ist jammerschade,
daß Mama so früh starb; Bryan braucht ein
richtiges Heim.»
Nach einer kurzen Pause sagte er:
«Wissen Sie auch, daß Bryan Sie gut leiden kann?»
«Das ist sehr nett von ihm.»
«In mancher Hinsicht ist er fürchterlich ungeschickt>, erklärte
Bryans Sohn. «Aber er war ein ausgezeichneter
Kampfflieger. Er ist tapfer und überaus gutmütig.»
Wieder schwieg er eine kleine Weile, dann hob er die
Augen zur Decke und sagte ziemlich selbstbewußt:
«Ich denke wirklich, es wäre gut für ihn, wenn er wieder
heiraten würde… irgendein nettes Mädchen . . . Ich selber
hätte nichts dagegen, eine Stiefmutter zu haben . . . nein…
aber natürlich muß sie danach sein . . .»
Mit leichtem Erschrecken begriff Lucy, daß Alexander
ein bestimmtes Ziel verfolgte.
«Ich dachte, ich sollte es Ihnen einmal sagen», begann
Alexander wieder. «Bryan hat Sie sehr gern. Er hat es mir
selber gesagt . . . »
Wirklich! dachte Lucy bei sich selber. Es gibt hier zu
viele Ehestifter. Erst Miss Marple und je tzt Alexander!
Sie stand auf.
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«Gute Nacht, Alexander. Morgen früh brauchen nur noch
dein Schlafanzug und dein Waschzeug in den Koffer. Gute
Nacht.»
«Gute Nacht», sagte Alexander. Er schlüpfte unter die
Bettdecke, legte seinen Kopf auf das Kissen, schloß die Äugen
und schlief sofort ein. Er sah aus wie ein kleiner Unschuldsengel.
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«Nicht unbedingt überzeugend», bemerkte Wetherall mit
düsterer Stimme.
Craddock las das Protokoll über Harold Crackenthorpes
Alibi für den 2o. Dezember durch.
Er war bei Sotheby’s ungefähr um 15 Uhr 30 gesehen
worden, man glaubte aber, er sei kurz darauf gegangen. In
Russell’s Teestube hatte man seine Fotografie nicht erkannt,
da aber zur Teezeit ein ständiges Kommen und Gehen
herrschte und er kein Stammgast war, so war das kaum
überraschend. Sein Diener bestätigte, daß er nach Hause
gekommen war, um sich für die Dinnergesellschaft
umzuziehen, und zwar um Viertel vor sieben – ziemlich spät
also, da das Dinner schon um ig Uhr 3o begann.
Infolgedessen war Mr. Crackenthorpe etwas nervös und
gereizt gewesen. Der Diener erinnerte sich nicht, ihn nach
Hause kommen gehört zu haben, aber da es schon einige
Zeit her war, hatte er keine genaue Erinnerung, außerdem
hörte er oft nicht, wenn Mr. Crackenthorpe nach Hause kam.
Er und seine Frau liebten es, früh zu Bett zu gehen, wenn sie
konnten. Die Garage, in der Harold seinen Wagen
untergestellt hatte, war eine Einzelga rage, zu der er den
Schlüssel besaß. Niemand achtete darauf, wann er kam und
ging, und daher konnte sich auch niemand auf einen
bestimmten Abend besinnen.
«Alles negativ», bemerkte Craddock seufzend.
«Er nahm tatsächlich an dem bewußten Dinner teil, ging
aber ziemlich früh weg.»
«Und was konnten Sie auf den Bahnhöfen ermitteln?»
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Weder in Brackhampton noch auf dem Bahnhof
Paddington war etwas zu erfahren gewesen. Die Sache lag
jetzt fast vier Wochen zurück, und es war auch höchst
unwahrscheinlich, daß jemand sich daran erinnerte, ob er
Harold gesehen hatte.
Craddock seufzte. Er griff nach den Aufzeichnungen über
Cedric. Auch sie waren negativ, wenngleich ein Taxichauffeur
sich dunkel erinnert haben wollte, an jenem Tag einen
Fahrgast nach Paddington befördert zu haben, «der diesem
Menschen hier glich. Schmutzige Hose und eine Haarmähne.
Er fluchte und schimpfte über die Tariferhöhung.»