Martine sein sollen, von der mein lieber Edmund mir geschrieben
hat.»
Sie schüttelte seufzend den Kopf. Plötzlich kam ihr ein
Gedanke. Sie runzelte verwundert die Stirn.
«Aber eins verstehe ich nicht. Haben Sie mir denn den
Brief geschrieben?»
Lady Stoddart-West schüttelte den Kopf.
«Nein, natürlich nicht. Ich habe Ihnen nicht
geschrieben.»
«Dann muß also . . .» Emma brach ab.
«Dann muß also jemand sich für Martine ausgegeben haben,
weil er auf diese Weise aus Ihnen Geld herauspressen
wollte. Ja, so muß es gewesen sein. Wer aber hat den Brief
geschrieben?»
Emma sagte langsam:
«Ich vermute, es gibt Leute aus der damaligen Zeit, die
alles wußten?»
Lady Stoddart-West zuckte die Achseln.
«Ja, wahrscheinlich. Aber niemand stand mir nahe, mit
niemandem verkehrte ich näher, und ich habe nie davon
gesprochen, seitdem ich in England bin. Warum wartete der
Briefschreiber denn so lange? Merkwürdig! Höchst merkwürdig!
»
Emma sagte: «Ich verstehe es nicht. Wir müssen
abwarten, was Inspektor Craddock dazu sagt.» Plötzlich fuhr
sie, ihre Besucherin liebevoll anblickend, fort: «Ich freue
mich so, daß ich Sie schließlich doch kennengelernt habe,
meine Liebe.»
«Ich freue mich auch, daß ich Sie nun kenne. Edmund hat
sehr oft von Ihnen gesprochen. Er hatte Sie sehr lieb. Ich bin
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glücklich in meinem neuen Leben, aber dennoch – völlig
vergessen ha be ich ihn nicht.»
Emma lehnte sich zurück und seufzte tief.
«Solange wir fürchteten, die Tote könne Martine sein,
schien die Familie mit dem Mord etwas zu tun zu haben.
Jetzt ist mir eine Last von der Seele gefallen. Ich weiß nicht,
wer die arme Frau war, aber mit uns kann sie nicht in
Verbindung gestanden haben.»
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«Sie sehen immer noch recht elend aus», stellte die
Sekretärin fest, als sie Harold Crackenthorpe seinen
gewohnten Nachmittagstee brachte.
«Es geht mir wieder ganz gut>, beteuerte Crackenthorpe.
Sein Zustand war recht bedenklich gewesen, aber jetzt hatte
er das Schlimmste hinter sich.
Merkwürdig, dachte er, daß Alfred draufgegangen, der
Alte aber durchgekommen war, obgleich der seit Jahren
kränklich war. Wenn man von einem hätte erwarten sollen,
daß er nicht durchkommen würde, dann war es der Alte.
Aber nein! Es hatte Alfred getroffen, der, soviel Harold
wußte, kerngesund gewesen war. Es hatte ihm eigentlich nie
etwas gefehlt.
Er lehnt sich seufzend zurück. Sein Geschäft stand auf
der Kippe. Bald schien sich alles zum Guten zu wenden,
bald kam ein Rückschlag. Er blickte sich um. Dieses reich
ausgestattete Büro, das matt schimmernde Holz, die teuren
Stühle, alles sah nach Reichtum aus. Bis jetzt war seine
finanzielle Solidität noch nicht angezweifelt worden. Aber
sehr lange ließ sich der Bankrott nicht mehr verhindern.
Wenn doch nur sein Vater statt Alfred abgekratzt wäre, wie
es eigentlich der Fall hätte sein müssen! Aber dem Alten
schien Arsenik ausgezeichnet zu bekommen…
Er nahm Hut und Mantel und verließ das Büro. Es würde
gut sein, wenn er sich noch ein bis zwei Tage etwas
Schonung gönnte.
Darwin, sein Diener, öffnete die Tür, als er zu Hause anlangte.
«Madam ist gerade angekommen, Sir», meldete er.
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Einen Augenblick starrte Harold ihn an. Alice! Du lieber
Gott, hatte Alice heute nach Hause kommen wollen? Er
hatte das ganz vergessen! Nur gut, daß Darwin ihn
rechtzeitig darauf aufmerksam gemacht hatte. Es hätte
keinen guten Eindruck gemacht, wenn er nach oben
gegangen und bei ihrem Anblick gar zu erstaunt gewesen
wäre. Allzuviel allerdings, meinte er, hätte es auch nicht
geschadet. Weder er noch Alice machten sich über ihre
gegenseitigen Gefühle Illusionen.
Alles in allem war sie eine große Enttäuschung für ihn.
Natürlich war er nie verliebt in sie gewesen, aber ihre
Familie und ihre Beziehungen hatten sich zweifellos als
nützlich erwiesen. Vielleicht nicht als so nützlich, wie sie
hätten sein können, denn als er Alice heiratete, hatte er auch
an Kinder gedacht. Seine Jungen hätten angenehme
Verwandte gehabt. Aber es waren weder Jungen noch
Mädchen gekommen, und so waren er und Alice beide älter
geworden, ohne daß sie einander viel zu sagen gehabt und an
ihrem Zusammenleben, viel Freude gehabt hätten.
Er ging nach oben, trat ins Wohnzimmer und begrüßte sie
förmlich.
«Du bist also wieder da, meine Liebe. Entschuldige, daß
ich dich nicht abgeholt habe, aber ich wurde in der City
festgehalten.»
Alice war eine magere Frau mit sandfarbenem Haar,