Padington by Agatha Christie

soll bei seinen Pillen und Pulvern bleiben.»

«Hört doch auf, euch zu zanken!» sagte Emma müde.

«Ich freue mich wirklich, daß die alte Miss Sowieso zum

Tee kommt. Es wird uns allen guttun, eine Fremde hier bei

uns zu haben, denn dann können wir nicht immer wieder

dieselben Dinge erörtern. Ich muß jetzt gehen und mich

etwas zurechtmachen.»

Sie verließ das Zimmer.

«Diese Lucy Eyelesbarrow», begann Harold und brach

dann ab, fuhr aber gleich darauf fort: «Was mag sie

veranlaßt haben, in dem Schuppen herumzustöbem und

einen Sarkophag zu öffnen? Eine Arbeit übrigens, die eines

Herkules würdig gewesen wäre. Vielleicht sollten wir

Schritte unternehmen. Ich fand, ihr Benehmen beim Lunch

war ziemlich feindselig -»

«Überlaßt sie mir», unterbrach Alfred ihn. «Ich werde

bald herausbekommen, was mit ihr los ist.»

«Vielleicht ist sie in Wirklichkeit gar nicht die Lucy

Eyelesbarrow», meinte Cedric.

«Aber was für einen Zweck könnte sie verfolgen?»

Harold schien ganz außer Fassung zu sein. «Verflucht noch

mal!»

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Sie blickten einander mit bekümmerten Gesichtern an.

«Und nun kommt auch noch diese alte Frau zum Tee!

Gerade jetzt, wo wir soviel zu besprechen haben!»

«Wir werden uns heute abend unterhalten», schlug Alfred

vor. «Inzwischen werden wir die alte Tante über Lucy aushorchen.

»

Miss Marple war also verabredetermaßen von Lucy

geholt worden, saß nun am Kamin und lächelte wohlwollend

Alfred an, als er ihr die belegten Brote reichte.

«Oh, vielen, vielen Dank! Dürfte ich wohl . . .? Oh, Ei

und Sardinen! Ich fürchte, ich bin immer etwas gierig beim

Tee. Wenn man älter wird, wissen Sie… Aber abends

natürlich nur ein sehr leichtes Essen . . .» Sie wandte sich

wieder an die Gastgeberin. «Was für ein schönes Haus Sie

haben! Und so viele schöne Dinge darin! Diese Bronzen da

zum Beispiel. Die erinnern mich an Bronzen, die mein Vater

auf der Pariser Weltausstellung kaufte. – Und wie nett ist es,

daß Sie Ihre Brüder um sich haben! Nur zu oft leben die

einzelnen Mitglie der einer Familie weit zerstreut.»

«Zwei meiner Brüder wohnen in London.»

«Das ist doch sehr schön für Sie.»

«Mein Bruder Cedric ist Maler. Er lebt auf Ibiza.»

«Die Maler lieben die Inseln», erklärte Miss Marple. «Ist

es nicht so? Zum Beispiel Gauguin. ..»

«Erzählen Sie uns etwas von Lucy, wie sie als Kind war,

Miss Marple», unterbrach Cedric sie.

Sie strahlte ihn an.

«Lucy war immer so klug», sagte sie. «ja, das warst du,

meine Liebe – unterbrich mich nicht. Bemerkenswert begabt

für Arithmetik. Sie konnte glänzend rechnen. Ich erinnere

mich noch, als der Schlachter mir für das Fleisch zuviel

abverlangt hatte . . .»

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Miss Marple schwelgte in Erinnerungen an Lucys

Kindheit und ging dann zu Erfahrungen über, die sie in

ihrem eigenen Dorfleben gemacht hatte.

Ihr Redefluß wurde unterbrochen, als Bryan eintrat.

Mit ihm kamen die beiden Jungen, die auf ihrer Jagd

nach Indizien ziemlich maß und schmutzig geworden waren.

Gleich darauf folgte Dr. Quimper, der, als er mit der alten

Dame bekannt gemacht wurde, etwas verwundert schien.

«Ich hoffe, Ihr Vater leidet nicht unter dem Wetter, Miss

Emma?»

«O nein – das heißt, er fühlte sich heute nachmittag etwas

müde -»

«Er sieht Besucher nicht gern, vermute ich», ließ Miss

Marple sich vernehmen.

«Er nimmt seinen Tee immer im Arbeitszimmer, wenn

seine lieben Söhne kommen», erklärte Cedric. «Psychologisch

kann das ja nicht überraschen. Nicht wahr, Dr. Quimper?

»

Dr. Quimper, der mit der Miene eines Mannes, dem für

gewöhnlich wenig Zeit zum Essen bleibt, herzhaft zulangte,

entgegnete:

«Psychologie ist schon recht, wenn man sie den

Psychologen überläßt. Schlimm ist nur, daß heutzutage

jedermann den Amateurpsychologen spielt. Meine Patienten

berichten mir ganz genau, an welchen Komplexen und

Neurosen sie leiden, und nehmen mir so jede Möglichkeit, es

ihnen selbst zu sagen. Danke, Miss Emma, ich trinke gern

noch eine Tasse. Hatte heute noch keine Zeit zu essen.»

«Ich stelle mir das Leben eines Arztes sehr edel und

entsagungsvoll vor», bemerkte Miss Marple.

«Dann kennen Sie wohl nicht viele Ärzte», erwiderte Dr.

Quimper. «Blutsauger werden sie genannt, und oft sind sie

es auch. Nun, heutzutage bekommen wir wenigstens unser

Honorar. Dafür sorgt der Staat. Wir brauchen keine Rech-

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nungen mehr auszustellen, von denen wir wissen, daß sie nie

beglichen werden. Unerfreulich ist nur, daß alle Patienten

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