Padington by Agatha Christie

131

«Soll das heißen, da sei nichts zu machen? Überlegen Sie

es sich, denken Sie daran, welchen Spaß, welches

Vergnügen es Ihnen machen würde, alle diese Hohlköpfe zu

überlisten. Das Dumme ist nur, man braucht Kapital.»

«Ich fürchte, ich habe keins.»

«Oh, so habe ich es nicht gemeint! Ich werde in nicht

allzu ferner Zeit Geld in die Finger bekommen. Der Alte

kann schließlich nicht ewig leben. Wenn er abkratzt,

bekomme ich eine ganz hübsche Summe in die Hand. Nun?

Was meinen Sie, Lucy?»

«Und die Bedingungen?»

«Heirat, wenn Sie wollen. Frauen scheinen Wert darauf

zu legen, mögen sie noch so klug und selbständig sein. Das

hat auch den Vorteil, daß Ehefrauen nicht gezwungen

werden können, gegen ihre Männer auszusagen.»

«Nicht gerade schmeichelhaft!»

«Stellen Sie sich nicht so dumm, Lucy! Merken Sie denn

nicht, daß ich mich in Sie verliebt habe?»

Sie lachte und machte sich von seinem Arm frei, den er

um sie gelegt hatte.

Sie gingen ins Haus, und Lucy eilte in die Küche. Zu

ihrer Überraschung wurde sie beim Vorbereiten des Essens

von Harold Crackenthorpe gestört.

«Miss Eyelesbarrow, könnte ich mit Ihnen etwas besprechen?

»

«Ginge es nicht später, Mr. Crackenthorpe? Ich bin mit

meiner Arbeit zurück.»

«Gewiß. Also nach dem Dinner?»

«Ja, das wäre mir lieber.»

Das Dinner wurde aufgetragen und rief allgemeine Anerkennung

hervor. Als Lucy den Abwasch erledigt hatte und in

die Halle trat, wartete dort schon Harold Crackenthorpe auf

sie.

«Ja, Mr. Crackenthorpe?»

132

«Wollen wir hier hineingehen?»

Er öffnete die Tür des Wohnzimmers, ging voran und

schloß die Tür hinter sich.

«Ich werde Rutherford Hall morgen früh verlassen», begann

er. «Vorher möchte ich Ihnen aber noch sagen, welch

großen Eindruck Ihre Tüchtigkeit auf mich gemacht hat.»

«Ich danke Ihnen», sagte Lucy etwas überrascht.

«Ich habe das Gefühl, daß Ihre Talente hier vergeudet

werden – einfach vergeudet.»

«Meinen Sie? Ich kann das nic ht finden.»

Er jedenfalls kann mich nicht heiraten wollen, dachte

Lucy. Er hat schon eine Frau.

«Ich schlage vor, nachdem Sie uns geholfen haben, diese

bedauernswerte Krise zu überwinden, suchen Sie mich in

London auf. Das beste wäre, Sie riefen an, damit wir einen

Termin vereinbaren können. Ich werde meiner Sekretärin

Anweisung geben. Die Wahrheit ist, wir könnten jemanden

von Ihrer ungewöhnlichen Tüchtigkeit in der Firma gebrauchen.

Wir sollten uns eingehend darüber unterhalten, auf

welchem Gebiet Ihre Talente am besten eingesetzt werden

könnten. Ich kann Ihnen, Miss Eyelesbarrow, ein sehr gutes

Gehalt und glänzende Aussichten bieten. Ich denke, Sie werden

angenehm überrascht sein.»

Er lächelte großmütig.

Lucy antwortete ernst: «Ich danke Ihnen, Mr. Crackenthorpe.

Ich werde es mir Überlegen.»

«Überlegen Sie nicht zu lange. Eine junge Frau, die es in

der Welt zu etwas bringen will, darf eine solche Gelegenheit

nicht ungenutzt lassen. Also gute Nacht, Miss Eyelesbarrow.

Angenehme Ruhe!»

Wahrhaftig! sagte Lucy zu sich selber. Das ist alles

höchst interessant…

133

Auf dem Weg in ihr Zimmer begegnete Lucy auf der

Treppe Cedric.

«Hören Sie, Miss Lucy, ich möchte Sie etwas fragen.»

«Wollen Sie mich heiraten? Soll ich nach Ibiza

mitkommen und für Sie sorgen?»

Cedric machte ein verdutztes Gesicht.

«An etwas dergleichen habe ich nie gedacht.»

«Entschuldigen Sie. Dann habe ich mich geirrt.»

«Ich wollte Sie nur fragen, ob wir hier irgendwo ein

Kursbuch haben?»

«Ist das alles? Es liegt eines auf dem Tisch in der Halle.»

«Wissen Sie», Cedric musterte sie vorwurfsvoll, «Sie

sollten nicht glauben, jeder wolle Sie heiraten. Sie sehen gut

aus, aber so toll nun auch wieder nicht. Wenn man sich

einmal so etwas einbildet, wird es immer schlimmer. Die

Wahrheit ist, Sie sind das letzte Mädchen auf der Welt, das

ich heiraten möchte. Das letzte.»

«Wirklich?» sagte Lucy. «Sie brauchen mir das nicht so

unter die Nase zu reiben. Vielleicht würden Sie mich als

Stiefmutter vorziehen?»

«Was sagen Sie da?»

Cedric starrte sie verblüfft an.

«Haben Sie es nicht gehört?» gab Lucy zur Antwort, ging

in ihr Zimmer und schloß die Tür.

134

14

«Es ist nur so eine Idee», sagte Dessin. «Ich habe hier ein

Foto von dem Ballett. Sie ist die vierte von links. Erkennen

Sie sie?»

Eine erdrosselte junge Frau ist nicht leicht

wiederzuerkennen, und auf dem Foto waren alle jungen

Frauen geschminkt und trugen einen riesigen Kopfputz aus

Federn.

«Sie könnte es sein», erwiderte Craddock. «Mehr kann

Pages: 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44 45 46 47 48 49 50 51 52 53 54 55 56 57 58 59 60 61 62 63 64 65 66 67 68 69 70 71 72 73 74 75 76 77 78 79 80 81

Leave a Reply 0

Your email address will not be published. Required fields are marked *