Padington by Agatha Christie

durch den Kopf.»

Inspektor Craddock blickte sie scharf an. Dann

verabschie dete er sich.

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Craddock mußte ein paar Minuten warten, während

Quimper den letzten Patienten behandelte. Endlich kam er

aus dem Sprechzimmer. Er sah müde und niedergeschlagen

aus. Er bot Craddock einen Drink an und goß sich dann

selber ein Glas ein.

«Weshalb kommen Sie zu mir?» fragte er den Inspektor.

«Zunächst einmal möchte ich Ihnen danken, weil Sie,

wenn ich recht unterrichtet bin, Miss Crackenthorpe geraten

haben, zu mir zu gehen und mir den Brief zu bringen, der

angeblich von der Witwe ihres Bruders stammte.»

«Konnten Sie etwas damit anfangen? Ich habe ihr

übrigens nicht direkt geraten, zu Ihnen zu gehen. Sie wollte

es, denn sie war sehr beunruhigt. Ihre lieben Brüder

versuchten natürlich alle, sie zurückzuhalten.»

«Warum denn das?»

Der Arzt zuckte die Schultern.

«Wahrscheinlich befürchteten sie, die Vermutung könnte

sich als wahr erweisen.»

«Glauben Sie, daß der Brief echt war?»

«Keine Ahnung. Ich habe ihn tatsächlich nie gesehen. Ich

möchte glauben, jemand, der die Tatsachen genau kannte,

versuchte, sein Wissen zu Geld zu machen. Er hoffte offenbar,

auf Emma Eindruck zu machen. Da war er gründlich im

Irrtum. Emma ist keine Närrin. Sie würde niemals eine unbekannte

Schwägerin in die Arme schließen, ohne zuerst ein

paar nüchterne Fragen gestellt zu haben.»

Etwas neugierig fügte er hinzu:

«Aber warum fragen Sie mich, was ich davon halte? Ich

habe mit der Sache doch nichts zu tun?»

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«Ich kam auch eigentlich, um Sie etwas ganz anderes zu

fragen; aber ich weiß nicht recht, wie ich mich ausdrücken

soll.»

Dr. Quimper schaute interessiert.

«Wie ich höre, hatte vor nicht langer Zeit – ich glaube, es

war um Weihnachten herum – Mr. Crackenthorpe einen

ziemlich schlimmen Anfall.»

Sofort veränderte sich das Gesicht Quimpers. Seine Züge

verhärteten sich.

«ja?»

«Wenn ich nicht irre, war es eine Verdauungsstörung.»

«ja.»

«Es ist eine etwas schwierige Frage, die ich an Sie richten

möchte. Mr. Crackenthorpe rühmte sich seiner Gesundheit

und sagte, er gedenke, die meisten Mitglieder seiner Familie

zu überleben. Er kam dabei auf Sie zu sprechen – Sie müssen

mich entschuldigen, Doktor…»

«Oh! Nehmen Sie kein Blatt vor den Mund! Ich nehme

nichts krumm, was meine Patienten von mir sagen.»

«Er nannte Sie einen alten Quatschkopf.» Quimper lä –

chelte. «Er sagte, Sie hätten ihm alle möglichen Fragen gestellt,

Sie hätten nicht nur wissen wollen, was er gegessen,

sondern auch, wer das Essen zubereitet und wer es aufgetragen

habe.»

Der Doktor lächelte jetzt nicht mehr. Sein Gesicht war

hart.

«Fahren Sie fort!»

«Er sagte dann:

Es trat eine Pause ein.

«Hatten Sie», ergriff der Inspektor wieder das Wort,

«hatten Sie einen derartigen Verdacht?»

Quimper antwortete nicht sofort. Er erhob sich und ging

auf und ab. Schließlich drehte er sich zu Craddock um.

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«Was erwarten Sie von mir? Was soll ich sagen? Glauben

Sie, ein Doktor kann die Anklage erheben, dieser oder jener

habe Gift ins Essen getan, ohne es beweisen zu können?»

«Ich möchte gern – ganz inoffiziell! – wissen, ob Ihnen

dieser Gedanke gekommen ist?»

Doktor Quimper wich aus:

«Der alte Crackenthorpe lebt äußerst mäßig. Wenn die

Familie zusammen ist, sorgt Emma dafür, daß reichlicher

und fetter gegessen wird. Die Folge ist ein häßlicher Magen-

und Darmkatarrh. Die Symptome paßten durchaus zu dieser

Diagnose.»

Craddock ließ nicht locker.

«Ich verstehe. Sie waren also in keiner Weise – sagen wir

-verwundert?»

«All right. Ich war verwundert. Nun zufrieden?»

«Es interessiert mich», erwiderte Craddock. «Was genau

argwöhnten oder – befürchteten Sie?»

«Gastrische Fälle gleichen sich natürlich nicht immer

völlig, aber es waren doch gewisse Anzeichen vorhanden,

die, sagen wir, besser zu einer Arsenikvergiftung gepaßt

hätten als zu einem gewöhnlichen Magen- und Darmkatarrh.

Verstehen Sie mich recht. Die beiden Krankheiten haben

sehr große Ähnlichkeit miteinander. Bessere Männer als ich

haben eine Arsenikvergiftung nicht erkannt und durchaus

gutgläubig den Totenschein unterschrieben.»

«Und welches Ergebnis hatten Ihre Nachforschungen?»

«Es schien, daß mein Verdacht unmöglich begründet sein

konnte. Mr. Crackenthorpe versicherte mir, er habe schon

ähnliche Anfälle zu einer Zeit gehabt, da ich ihn noch nicht

behandelte, und, wie er sagte, aus dem gleichen Grund. Sie

hätten sich immer eingestellt, wenn das Essen zu üppig gewesen

sei.»

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