Padington by Agatha Christie

in den er alles Papier wirft, das irgendwo herumliegt

«Und darunter haben wir es gefunden -»

«Was habt ihr gefunden?» unterbrach Craddock den

Wettstreit der Stimmen.

«Das Indiz. Vorsichtig, Stoddart! Zieh erst Handschuhe

an!»

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Nach bester Kriminalromantradition zog sich Stoddart-

West mit ernster Miene ein Paar ziemlich schmutzige Handschuhe

an, bevor er vorsichtig eine Fototasche zum

Vorschein brachte. Ihr entnahm er mit den behandschuhten

Fingern feierlich einen schmutzigen und zerknitterten

Briefumschlag, den er mit wichtiger Miene dem Inspektor

reichte.

Beide Jungen warteten in atemloser Spannung.

Craddock nahm das «Indiz» mit gebührender

Feierlichkeit entgegen. Er mochte die beiden gern und wollte

ihnen nicht das Spiel verderben.

Der Brief war durch die Post zugestellt worden. Das

Kuvert aber war leer. Die Adresse lautete: Mrs. Martine

Crackenthorpe, 126 Elvers Crescent N. io.

«Sehen Sie?» fragte Alexander atemlos. «Das beweist,

daß sie wirklich hier war – ich meine Onkel Edmunds

französische Frau – die, um die soviel Lärm gemacht wird.

Sie muß also wirklich hier gewesen sein und den

Briefumschlag ir gendwo verloren haben. So sieht es doch

aus, nicht wahr?»

Stoddart-West nahm ihm das Wort aus dem Munde:

«Es sieht so aus, als ob sie die Frau gewesen ist, die

ermordet wurde – glauben Sie nicht, Sir, daß es die im

Sarkophag gewesen sein muß?»

Sie warteten gespannt.

Craddock ging auf das Spiel ein: «Möglich, sehr wohl

möglich», sagte er.

«Unser Fund ist doch wichtig, nicht wahr? Sie werden

doch das Kuvert auf Fingerabdrücke untersuchen, Sir?»

«Natürlich», erwiderte Craddock nachdenklich.

Sehr schlau von Lucy Eyelesbarrow! dachte er. Wie hat

sie es bloß fertiggebracht, die Briefmarke zu fälschen? Er

betrachtete sie genau, aber das Lic ht war zu schwach.

Natürlich machte die Sache den Jungen großen Spaß, für ihn

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aber war es weniger lustig. Daran hatte Lucy nicht gedacht.

Wenn dieses Kuvert echt war…

«Kommt! Wir wollen ins Haus gehen», schlug er vor.

«Ihr habt mir einen großen Dienst erwiesen.»

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Die Jungen führten Craddock durch einen Hintereingang

ins Haus. Das schien der Weg zu sein, den sie für

gewöhnlich nahmen. Die Küche war hell und freundlich.

Lucy, die sich eine große weiße Schürze vorgebunden hatte,

war dabei, Teig auszurollen.

Bryan Eastley lehnte am Küchenschrank und schaute ihr

zu wie ein treuer Hund.

«Hallo!» begrüßte Alexander seinen Vater. «Wieder in

der Küche?»

«Ich bin gern hier», erwiderte sein Vater. «Miss

Eyelesbarrow hat nichts dagegen.»

«Nein, ich habe nichts dagegen», bestätigte Lucy. «Guten

Abend, Inspektor Craddock.»

«Wollen Sie in der Küche Nachforschungen anstellen?»

fragte Bryan interessiert.

«Nicht eigentlich. Mr. Cedric Crackenthorpe ist doch

noch da?»

«O ja. Möchten Sie ihn sprechen?»

«Ja, gern.»

«Dann werde ich einmal nachsehen, ob er in seinem Zimmer

ist», erbot sich Bryan.

«Vielen Dank», sagte Lucy. «Meine Hände sind voller

Mehl, sonst würde ich selber gehen.»

«Ist nicht bald Essenszeit?» wollte Alexander wissen.

«Nein.»

«Schade! Ich habe schrecklichen Hunger.»

«In der Speisekammer ist noch ein Stück Ingwertorte.»

Die Buben setzten zum Wettlauf an und stießen an der

Tür zusammen.

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«Sie sind wie die Heuschrecken», lachte Lucy.

«Ich gratuliere Ihnen», sagte Craddock.

«Gratulieren? Weswegen?»

«Wegen Ihrer Schlauheit. Das haben Sie fein gemacht!»

Craddock zeigte ihr die Fototasche. «Gute Arbeit!» lobte er.

«Wovon reden Sie eigentlich?

«Von dem da, meine Liebe.»

Er zog den Briefumschlag ein Stück heraus.

Sie starrte ihn verständnislos an.

«Haben Sie dieses Indiz nicht gefälscht und im

Dampfkesselraum versteckt, damit die Buben es finden

sollten?»

«Ich weiß nicht, wovon Sie reden», sagte Lucy. «Glauben

Sie -?»

Craddock ließ den Umschlag schnell in seine Tasche

gleiten, da Bryan in diesem Augenblick zurückkehrte.

«Cedric ist in der Bibliothek», berichtete er. Er nahm

seinen Platz am Küchenschrank wieder ein.

Inspektor Craddock ging in die Bibliothek.

Cedric Crackenthorpe machte ein liebenswürdiges

Gesicht, als er den Inspektor erblickte.

«Schnüffeln Sie hier wieder herum?» fragte er. «Sind Sie

schon weitergekommen?»

«Ich denke, ich kann wohl sagen, wir sind etwas

weitergekommen, Mr. Crackenthorpe.»

«Haben Sie herausgefunden, wer die Tote ist?»

«Wir befinden uns auf dem besten Weg dazu.»

«Gut für Sie.»

«Aufgrund unserer neuesten Informationen möchten wir

einige Feststellungen machen. Ich beginne mit Ihnen, Mr.

Crackenthorpe, da Sie gerade hier sind.»

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«Schießen Sie los!»

«Ich möchte einen genauen Bericht darüber, wo Sie am

Freitag, dem 2o. Dezember, waren und was s’ getan haben.»

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