Padington by Agatha Christie

die Symptome übertreiben.»

«Dann wären Sie nicht imstande, es festzustellen?»

«Daß sie weniger Gift abbekommen hat als die andern?

Wahrscheinlich nicht. Die Menschen reagieren auf Gifte

nicht alle völlig gleich. Dieselbe Menge kann unter Umstän-

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den einen mehr angreifen als den anderen. Natürlich», fuhr

Dr. Quimper lächelnd fort, «wenn der Patient einmal tot ist,

kann man ziemlich genau feststellen, wieviel Gift er bekommen

hat.»

«Dann könnte es also sein . . .», begann Inspektor Bacon

und machte dann eine Pause, als wolle er seine Gedanken

sammeln. «Dann könnte es also sein, daß ein Mitglied der

Familie mehr Wesens um seine Erkrankung macht, als es

müßte. Jemand, der behauptet, ebenso krank zu sein wie die

andern, um keinen Verdacht zu erregen? Wie ist es damit?»

«Dieser Gedanke ist mir auch schon gekommen. Deshalb

habe ich Ihnen darüber berichtet. Das Weitere liegt nun in

ihre Händen. Ich habe eine Krankenschwester herbeordert,

der ich vertrauen kann; aber natürlich kann sie nicht überall

zugleich sein. Meiner Meinung nach hat niemand so viel

Gift geschluckt, daß er daran sterben könnte.»

«Sie meinen, der Giftmischer hat einen Fehler gemacht?»

«Nein. Ich halte es für wahrscheinlicher, daß er genug

Arsenik in den Curry tat, um den Anschein einer Lebensmittelvergiftung

hervorzurufen, die man wahrscheinlich den

Pilzen zuschreiben würde. Die Leute sind immer von der

fixen Idee besessen, sie könnten eine Pilzvergiftung erleiden.

Dann würde wahrscheinlich bei einer Person eine

Verschlimmerung eintreten, und sie würde sterben.»

«Weil er dem Betreffenden eine zweite Dosis gegeben

hat?»

Der Arzt nickte.

«Deshalb habe ich Sie sofort unterrichtet, und deshalb

habe ich eine Krankenschwester herbeordert.»

«Weiß sie das von dem Arsenik?»

«Natürlich weiß sie es. Ebenso Miss Eyelesbarrow. Sie

müssen natürlich am besten wissen, was Sie zu tun haben,

aber wenn ich Sie wäre, dann würde ich ihnen allen ganz

klar sagen, daß sie an Arsenikvergiftung leiden. Das wird

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wahrscheinlich dem Mörder einen höllischen Schreck

einjagen. Er wird es dann nicht wagen, seinen Plan

auszuführen. Er verläßt sich wahrscheinlich auf die Theorie

von der Nahrungsmittelvergiftung.»

Das Telefon auf dem Schreibtisch des Inspektors läutete.

Er nahm den Hörer ab.

«Okay, verbinden Sie!» Er sagte zu Quimper: «Ihre

Krankenschwester ist am Apparat. Ja… Hallo? Hier

Inspektor Bacon . . . Was sagen Sie? Schwerer Rückfall? . . .

Ja . . . Doktor Quimper ist hier bei mir . . . Wenn Sie mit ihm

sprechen wollen . . .»

Er reichte den Hörer dem Doktor.

«Hier Quimper . . . Aha… ja… ganz recht . . . Ja, machen

Sie damit weiter. Wir kommen sofort.»

Erlegte den Hörer auf die Gabel und wandte sich Bacon

zu.

«Wer ist es?»

«Alfred», erwiderte Dr. Quimper. «Und er ist tot.»

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Craddocks Stimme im Telefon klang ungläubig.

«Alfred?» sagte er. «Alfred?»

Bacon erwiderte:

«Sie haben das nicht erwartet?»

«Nein, wahrhaftig nicht. Tatsache ist, daß ich ihn gerade

wegen Mordverdacht verhaften wollte.»

«Ich hörte, er sei von dem Beamten, der in Brackhampton

die Fahrkarten gelocht hat, wiedererkannt worden. Es sah

wirklich so aus, als ob wir den Täter erwischt hätten.»

«Ja», sagte Craddock flau. «Und wir haben uns geirrt.»

Beide schwiegen einen Augenblick.

Dann fragte Craddock:

«Es war doch eine Krankenschwester im Hause. Wie

konnte es denn da passieren?»

«Man kann ihr keinen Vorwurf machen. Miss Eyelesbarrow

war völlig erschöpft und mußte sich einen Augenblick

hinlegen. Die Schwester hatte jetzt fünf Patienten zu versorgen.

Den alten Mann, Emma, Cedric, Harold und Alfred. Sie

konnte nicht überall zugleich sein. Wie es scheint, machte

der alte Mr. Crackenthorpe großen Lärm. Er sagte, er stürbe.

Sie ging zu ihm, beruhigte ihn, kehrte in die Küche zurück

und brachte Alfred etwas Tee mit Traubenzucker. Er trank

ihn, und dann war es geschehen.»

«Wieder Arsenik?»

«Es scheint so. Natürlich hätte es ein Rückfall sein

können, aber Quimper glaubt es nicht, und Johnson stimmt

ihm bei.»

«Ob Alfred wirklich das Opfer hatte sein sollen?»

grübelte Craddock zweifelnd.

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«Sie meinen, während Alfreds Tod niemand irgendwelchen

Nutzen bringt, hätte der Tod des Vaters ihnen allen

Nutzen gebracht? Vielleicht ist es ein Irrtum gewesen – vielleicht

hat jemand geglaubt, der Tee sei für den Alten bestimmt.

»

«Ist es sicher, daß das Gift auf diese Weise eingegeben

wurde?»

«Nein, sicher ist es nicht. Die Schwester hat, wie sie es

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