Padington by Agatha Christie

gewohnt ist, alles gleich gereinigt. Tassen, Löffel, Teekanne

und so weiter. Aber es scheint die einzige Möglichkeit

gewesen zu sein, dem Opfer das Gift zuzuführen.»

«Das bedeutet», sagte Craddock nachdenklich, «daß

offenbar einer der Patienten nicht so krank war wie die

andern, daß er sich die Gelegenheit zunutze machte und das

Gift in die Tasse tat.»

«Diese Scherze werden nun aufhören», sagte Inspektor

Bacon grimmig. «Wir haben jetzt zwei Krankenschwestern

hinzugezogen, dazu kommt noch Miss Eyelesbarrow, und

ich habe auch zwei meiner Leute nach Rutherford Hall beordert.

Sie kommen doch?»

«So schnell ich kann.»

Lucy Eyelesbarrow kam durch die Halle, um Inspektor

Craddock zu begrüßen. Sie sah blaß und mitgenommen aus.

«Sie haben eine schwere Zeit durchgemacht», sagte

Craddock.

«Es kommt mir alles wie ein gräßlicher Alptraum vor,

der kein Ende nimmt», erwiderte Lucy.

«Was diesen Curry anbetrifft -»

«War es der Curry?»

«Ja, er war mit Arsenik vermischt.»

«Wenn das so ist», sagte Lucy, «dann muß es doch einer

von der Familie sein.»

«Gibt es keine andere Möglichkeit?»

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«Nein. Ich bereitete diesen unseligen Curry erst sehr spät

zu – nach 18 Uhr -, weil Mr. Crackenthorpe ihn ausdrücklich

verlangt hatte. Und ich mußte eine neue Dose mit Currypulver

öffnen. Es konnte damit also nichts geschehen sein. Ich

vermute, Curry würde den Geschmack überdecken?»

«Arsenik hat keinen Geschmack», erwiderte Craddock etwas

zerstreut. «Und wie steht es nun mit der Gelegenheit?

Wer von ihnen hatte die Möglichkeit, an den Curry heranzukommen,

bevor er aufgetragen wurde?»

Lucy überlegte.

«Die Sache liegt so», sagte sie, «daß sich jeder in die

Küche hätte schleichen können, während ich im

Speisezimmer den Tisch deckte.»

«Ich verstehe. Wer also war im Hause? Der alte Mr.

Crackenthorpe, Emma, Cedric -»

«Harold und Alfred. Sie waren am Nachmittag von London

gekommen. Ja, und dann Bryan – Bryan Eastley. Aber er

ging kurz vor dem Dinner fort. Er mußte sich mit jemandem

in Brackhampton treffen.»

Craddock sagte nachdenklich:

«Das paßt zu der Erkrankung des alten Mannes in der

Weihnachtszeit. Quimper hatte damals den Verdacht, es sei

eine Arsenikvergiftung gewesen. Schienen sie letzte Nacht

alle gleich krank zu sein?»

Lucy dachte nach.

«Mir scheint, der alte Mr. Crackenthorpe war wohl am

übelsten dran. Dr. Quimper hatte mit ihm eine fürchterliche

Mühe. Cedric machte am meisten Aufhebens. Bekanntlich

stellen sich kräftige, gesunde Leute immer besonders an.»

«Und Emma?»

«Es ging ihr recht schlecht.»

«Ich begreife es nicht», sagte Craddock. «Warum

Alfred?»

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«Ob es wirklich Alfred hatte sein sollen?» meinte Lucy

nachdenklich.

«Das habe ich mich auch schon gefragt.»

«Es scheint doch so sinnlos.»

«Könnte ich nur das Motiv für alle diese Vorgänge

finden», sagte Craddock. «Da scheint doch etwas nicht zu

stimmen. Die erdrosselte Frau im Sarkophag war Edmund

Crackenthorpes Witwe. Wir müssen es jedenfalls annehmen,

nach allem, was wir wissen. Es muß zwischen diesem Mord

und der Vergiftung Alfreds eine Verbindung bestehen. Die

Lösung muß innerhalb der Familie zu suchen sein. Selbst

wenn man annimmt, einer von ihnen sei geisteskrank, hilft

das nicht viel.»

«Nein», pflichtete Lucy bei.

«Nehmen Sie sich in acht!» warnte Craddock.

«Vergessen Sie nicht, daß hier im Hause ein Giftmischer am

Werk ist. Einer Ihrer Patienten ist vermutlich nicht so krank,

wie er tut.»

Nachdem Craddock fortgefahren war, ging Lucy langsam

wieder nach oben. Als sie am Zimmer des alten Mr.

Crackenthorpe vorüberkam, rief eine gebieterische,

wenngleich durch die Krankheit geschwächte Stimme sie an:

«Mädchen – Mädchen! Sind Sie es? Kommen Sie

herein!»

Lucy trat ins Zimmer.

Mr. Crackenthorpe lag, von einer Menge Kissen gestützt,

im Bett. Für einen Kranken sah er nach Lucys Meinung

merkwürdig gut gelaunt aus.

«Das Haus ist voll von den verwünschten Krankenschwestern

», sagte Mr. Crackenthorpe. «Sie rascheln herum, machen

sich wichtig, messen meine Temperatur, geben mir

nicht zu essen, was ich haben möchte, und die ganze Geschichte

dürfte einen tüchtigen Batzen Geld kosten. Sagen

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Sie Emma, sie soll sie fortschicken. Sie können nach mir

sehen, das genügt.»

«Alle sind krank geworden, Mr. Crackenthorpe», erwiderte

Lucy. «Ich kann unmöglich nach jedem sehen.»

«Pilze», sagte Mr. Crackenthorpe. «Verflucht gefährliche

Dinger. Es war die Suppe, die wir gestern abend hatten. Sie

haben sie gemacht», fügte er vorwurfsvoll hinzu.

«Die Pilze waren ganz in Ordnung, Mr. Crackenthorpe.»

«Ich tadle Sie nicht, Lucy, nein, ich tadle Sie nicht. So

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