Padington by Agatha Christie

einer aristokratischen Nase und nußbraunen Augen.

«Emmas Telegramm hat mich sehr beunruhigt>, sagte

Alice. «Ihr wurdet alle krank, hörte ich?»

«Ja», erwiderte Harold.

«Ich las neulich in der Zeitung», sagte Alice, «daß in

einem Hotel vierzig Leute gleichzeitig schwer erkrankten.

Diese Kühlschränke sind eine gefährliche Sache. Die Leute

bewahren die Lebensmittel zu lange darin auf.»

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«Das ist möglich», erwiderte Harold. Sollte er oder sollte

er nicht von dem Arsenik sprechen? Ein Blick auf Alice aber

sagte ihm, es habe keinen Zweck. In ihrer Welt war kein

Platz für Arsenikvergiftung. Man las davon wohl in den

Zeitungen, aber einen selber oder die eigene Familie ging

das nichts an. Und doch war es der Familie Crackenthorpe

passiert.

Er ging in sein Zimmer und legte sich eine Weile hin,

bevor er sich zum Dinner umzog. Beim Dinner, das er mit

seiner Frau allein einnahm, sprach man über Bekannte und

Freunde.

«Auf dem Tisch in der Halle liegt ein kleines Päckchen

für dich», sagte Alice.

«In der Halle? Ich habe nichts gesehen.»

«Da fällt mir übrigens ein: Jemand erzählte mir, man

habe eine ermordete Frau in einem Schuppen oder

dergleichen gefunden. Es soll in Rutherford Hall passiert

sein. Es handelt sich wohl um einen anderen Ort gleichen

Namens.»

«Nein», erwiderte Harold. «Es handelt sich um unseren

Schuppen. Leider.»

«Ist es möglich? Eine ermordete Frau in einem unserer

Schuppen? Rutherford Hall! Und du hast mir nichts davon

erzählt?»

«Dazu war noch nicht viel Zeit>, sagte Harold.

«Übrigens war das höchst unangenehm. Natürlich hat die

Sache mit uns nichts zu tun. Die Presse berichtete groß

darüber, und wir hatten natürlich die Polizei im Hause und

allerlei Scherereien.»

«Sehr unangenehm», sagte Alice. «Haben sie herausbe –

kommen, wer es getan hat?» fragte sie teilnahmslos.

«Noch nicht», erwiderte Harold.

«Was war es für eine Frau?»

«Das weiß niemand. Wie es scheint, eine Französin.»

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«Sehr ärgerlich für euch alle», bemerkte sie weise.

Sie gingen aus dem Speisezimmer in das kleine Arbeitszimmer,

in dem sie für gewöhnlich saßen, wenn sie allein

waren. Harold fühlte sich jetzt sehr erschöpft. Ich werde früh

zu Bett gehen, dachte er.

Er nahm das kleine Päckchen vom Tisch in der Halle,

von dem Alice gesprochen hatte. Es war sehr klein und

sauber versiegelt. Harold öffnete es, während er sich in

seinem gewohnten Sessel am Kamin niederließ.

In dem Päckchen war eine kleine Tablettenschachtel mit

einem Etikett, auf dem vermerkt stand: «Zwei Tabletten

abends zu nehmen.» Beigefügt war ein kleiner Zettel mit der

Firmenaufschrift eines Apothekers in Brackhampton. Auf

ihm stand geschrieben: «Auf Anordnung von Dr. Quimper. »

Harold Crackenthorpe runzelte die Stirn. Er öffnete die

Schachtel und betrachtete die Tabletten. Sie schienen die

gleichen zu sein, die er während seiner Krankheit genommen

hatte. Aber Dr. Quimper hatte doch gesagt, er brauche keine

mehr zu nehmen? «Die werden Sie jetzt nicht mehr brauchen

», waren seine Worte gewesen.

«Was ist denn, mein Lieber?» fragte Alice. «Du machst

ein so verwundertes Gesicht.»

«Ich habe solche Tabletten abends einnehmen müssen,

aber mir war doch so, als habe der Arzt gesagt, ich brauche

keine mehr zu nehmen.»

«Vielleicht hat er gesagt: », meinte Alice.

«Möglich», sagte Harold. Aber er schien nicht ganz überzeugt

zu sein. Die blassen, forschenden Augen seiner Frau

beunruhigten ihn irgendwie.

«Ich denke, ich werde zu Bett gehen», sagte er. «Es ist

der erste Tag, an dem ich wieder in der City war.»

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«Ja», stimmte Alice ihm bei. «Ich glaube auch. Der Arzt

hat sicher gesagt, du sollst dich die ersten Tage noch

schonen.»

«Das sagen die Ärzte immer», meinte Harold.

«Und vergiß nicht, deine Tabletten zu nehmen», erinnerte

Alice ihn und reichte ihm die Schachtel.

Er sagte gute Nacht und ging nach oben. Ja, er brauchte

die Tabletten. Es wäre falsch, zu früh damit aufzuhören. Er

schluckte zwei und trank ein Glas Wasser hinterher.

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«Niemand hätte die Sache mehr verpfuschen können, als

ich es getan habe», sagte Dermot Craddock düster. Er saß,

völlig übermüdet und niedergeschlagen, in dem etwas

überladenen Wohnzimmer der treuen Florence.

Miss Marple erhob abwehrend die Hand.

«O nein, das ist nicht richtig. Niemand kann behaupten,

daß die Polizei schlecht gearbeitet habe.»

«So! Nennen Sie das gute Arbeit? Mußte ich nicht untätig

zusehen, wie eine ganze Familie vergiftet wurde? Alfred

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