Padington by Agatha Christie

Crackenthorpe ist tot und jetzt auch Harold. Was, zum Teufel,

geht eigentlich in Rutherford Hall vor?»

«Vergiftete Tabletten», sagte Miss Marple.

«Ja. Verteufelt schlau war alles eingefädelt. Die Tabletten

sahen genauso aus wie die, die er immer genommen hatte.

Beigefügt war ein Rezeptformular, auf dem geschrieben

stand: Und Quimper

hatte sie gar nicht verordnet. Es war ein Etikett des Apothekers.

Und der Apotheker weiß von nichts. Die Schachtel

kam aus Rutherford Hall.»

«Wissen Sie ganz genau, daß sie aus Rutherford Hall

stammt?»

«Ja. Wir haben gründlich nachgeforscht. Es ist die

Schachtel, in der sich die Beruhigungstabletten für Emma

befunden hatten.»

«Sieh mal einer an! Für Emma also . . .»

«Ja. Ihre Fingerabdrücke sind darauf. Und die Fingerabdrücke

von beiden Schwestern. Und die Fingerabdrücke

des Apothekers. Sonst natürlich keine. Derjenige, der sie

geschickt hat, war vorsichtig.»

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«Die Beruhigungstabletten waren also entfernt und durch

andere ersetzt worden?»

«Ja. Das ist das Verflixte bei Tabletten. Eine sieht aus

wie die andere.»

«Da haben Sie nur zu recht>, stimmte Miss Marple bei.

«Was waren das übrigens für Tabletten?»

«Aconitin – Eisenhut. Diese Tabletten bewahrt man für

gewöhnlich in einer Giftflasche auf und verwendet sie im

Verhältnis eins zu hundert zur äußerlichen Behandlung.»

«Und Harold schluckte die Tabletten und starb», sagte

Miss Marple nachdenklich.

Dermot Craddock stöhnte.

«Sie müssen schon entschuldigen, wenn ich mich bei

Ihnen gehenlasse. Die Tatsache bleibt bestehen, daß ich alles

vollkommen verpfuscht habe. Sie lassen einen Mann aus

Scotland Yard kommen. Und was tut er? Er blamiert sich

unsterblich.»

«Aber nein doch!» protestierte Miss Marple.

«Sie mögen sagen, was Sie wollen, es ist so. Ich weiß

nicht, wer Alfred vergiftet hat, ich weiß nicht, wer Harold

vergiftet hat, und das Tollste von allem: Ich habe keine

Ahnung, wer die ermordete Frau eigentlich war. Die

Annahme, es sei Martine, schien doch so fest begründet.

Alles schien zu passen – und dann tritt die wirkliche Martine

in Erscheinung, und so unwahrscheinlich es klingt, es ist

niemand anders als die Gattin von Sir Robert Stoddart-West.

Wer also ist die Frau, die im Sarkophag gefunden wurde?

Der Himmel mag es wissen! Zuerst verfolge ich den

Gedanken, es sei Anna Strawinska, und dann zeigt sich, daß

sie es nicht sein. kann -»

Miss Marple unterbrach ihn durch ihr bedeutungsvolles

Hüsteln.

«Wirklich nicht?» murmelte sie.

Craddock starrte sie an.

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«Aber die Postkarte aus Jamaika?»

«Gewiß», sagte Miss Marple. «Aber ist sie ein wirklicher

Beweis? Ich meine, jeder kann doch wohl von fast

überallher eine Postkarte schicken lassen. Ich muß da an

Mrs. Brierly denken. Sie hatte einen Nervenzusammenbruch.

Schließlich mußte sie zur Beobachtung in eine Nervenklinik

gehen. Da sie Angst hatte, die Kinder könnten es erfahren,

schrieb sie ungefähr vierzehn Postkarten und sorgte dafür,

daß sie von verschiedenen Orten im Ausland abgeschickt

wurden. Den Kindern aber erzählte sie vorher, sie mache

eine große Reise.» Sie blickte Dermot Craddock an und

schloß: «Sie verstehen wohl, was ich meine.»

«Ja, natürlich», sagte Craddock. «Wir hätten selbstverständlich

auch wegen der Postkarte Nachforschungen angestellt,

wenn die Geschichte nicht so glaubhaft gewesen wäre

nach allem, was wir über Martine wußten. »

«Ja, es war sehr geschickt gemacht», murmelte Miss

Marple.

«Es paßte so ausgezeichnet», fuhr Craddock fort. «Aber

nun ist doch noch der Brief da, den Emma erhielt und der die

Unterschrift trägt. Lady Stoddart-

West hat ihn nicht abgeschickt. Es muß ihn also jemand

anderer geschickt haben, jemand, der sich für Martine ausgeben

und was sie wußte, zu Geld machen wollte. Das können

Sie doch nicht leugnen.»

«Nein, gewiß nicht.»

«Und dann ist da noch der Umschlag des Briefs, den

Emma ihr nach London schrieb. Er wurde in Rutherford Hall

gefunden, und das zeigt doch, daß sie dagewesen ist.»

«Aber die ermordete Frau ist nicht dagewesen!» hob

Miss Marple hervor. «Nicht in dem Sinne, wie Sie meinen.

Sie kam nach Rutherford Hall erst, als sie bereits tot war. Sie

wurde ja aus einem Zug geworfen.»

«Ja, das ist richtig. »

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«Was der Umschlag in Wirklichkeit beweist, ist etwas

anderes: Der Mörder war in Rutherford Hall. Vermutlich

nahm er ihr den Umschlag zugleich mit ihren Papieren und

sonstigen Sachen ab und verlor ihn dann versehentlich – oder

absichtlich? Inspektor Bacon und Ihre Leute haben doch

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