Padington by Agatha Christie

sich in Rutherford Hall niederzulassen. Er meint, er und

Alexander würden es dort wundervoll haben, und er verfügt

schon in Gedanken darüber.»

«Er baut also Luftschlösser sozusagen?»

«In gewisser Weise ja. Übrigens hängt er auch an Rutherford

Hall, weil es ihn an das Haus erinnert, in dem er aufgewachsen

ist.»

«Ich verstehe», sagte Miss Marple nachdenklich. Dann

fügte sie mit einem Seitenblick auf Lucy schnell hinzu:

«Aber Sie haben noch nicht alles erzählt. Da ist noch etwas,

was Sie ganz besonders beunruhigt. Erzählen Sie!»

«Ja, da ist noch etwas. Erst vor ein paar Tagen ist es mir

klargeworden. Bryan konnte tatsächlich in dem bewußten

Zug gewesen sein.»

«In dem Zug 16 Uhr 33 von Paddington?»

«Ja. Emma glaubte, sie müsse über alles, was sie am 2o.

Dezember getan hat, Auskunft geben. Und da sagte sie, sie

sei zum Bahnhof gegangen, um dort Bryan zu treffen. Es

handelte sich um den Zug 16 Uhr 5o von Paddington. Aber

er konnte auch mit dem früheren Zug gefahren sein und so

getan haben, als käme er mit dem späteren. Er erzählte mir

zufällig, sein Wagen habe eine Panne gehabt und daher sei

er mit dem Zug gekommen. Als er das sagte, klang seine

Stimme ganz natürlich. Er sagte noch, er hasse es, mit der

Bahn zu fahren… Es mag gar nichts daran sein, aber mir

wäre doch lieber, er wäre nicht mit dem Zug gekommen.

Beweisen tut es natürlich nichts. Schrecklich ist nur dieser

ewige Verdacht, weil man nichts Bestimmtes weiß. Vielleicht

werden wir niemals etwas wissen.»

«Natürlich werden wir es bald wissen, meine Liebe»,

sagte Miss Marple munter. «Ich meine, es hört doch nicht

alles plötzlich auf. Soweit ich Mörder kenne, können sie gar

nicht aufhören – jedenfalls nicht, wenn sie erst einen zweiten

Mord begangen haben. Machen Sie sich keine unnötigen

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Gedanken, Lucy. Die Polizei tut, was sie kann, und das beste

ist, daß Elsbeth McGillicuddy sehr bald hier sein wird.»

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«Nun, Elsbeth, du hast doch ganz genau verstanden, was

ich dich zu tun bitte?»

«Ja, begriffen habe ich es schon», erwiderte Mrs.

McGillicuddy. «Aber es muß doch einen merkwürdigen

Eindruck machen, Jane.»

«Wieso denn?» widersprach Miss Marple. «Ich kann das

nicht finden.»

«Aber ich. Da kommt man in einem fremden Hause an,

und fast in der ersten Sekunde fragt man, ob man mal nach

oben gehen könne.»

«Es ist sehr kaltes Wetter», erklärte Miss Marple, «und

schließlich kannst du ja etwas gegessen haben, was dir nicht

bekommen ist, so daß du mal verschwinden mußt. So etwas

kommt schließlich vor.»

«Wenn du mir doch nur sagen wolltest, was du eigentlich

damit bezweckst, Jane», sagte Mrs. McGillicuddy.

«Eben das möchte ich nicht», erwiderte Miss Marple.

«Man kann sich manchmal wirklich über dich ärgern,

Jane. Erst veranlaßt du mich, früher nach England

zurückzukehren, als ich eigentlich wollte und mußte -»

«Das tut mir aufrichtig leid», sagte Miss Marple. «Aber

ich konnte nicht anders handeln. Es steht nämlich so, daß in

jedem Augenblick jemand ermordet werden kann. Ich weiß

wohl, alle sind auf der Hut, und die Polizei trifft alle Vorsichtsmaßnahmen,

die sie nur treffen kann, aber es besteht

immerhin die Möglichkeit, daß der Mörder zu klug für sie

ist. Deshalb, Elsbeth, war es deine Pflicht zurückzukommen.

Verstehst du denn nicht? Wir wurden doch so erzogen, daß

wir es gewohnt sind, unsere Pflicht zu tun, nicht wahr?»

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«Sicherlic h wurden wir das», stimmte Mrs. McGillicuddy

zu. « Zu unserer Zeit gab es keine Laxheit.»

«Dann ist also alles in Ordnung», sagte Miss Marple.

«Und da ist das Taxi», fügte sie hinzu, als es vor dem Haus

hupte.

Mrs. McGüficuddy zog ihren schweren Mantel an, und

Miss Marple hüllte sich in eine Menge Schals und Tücher.

Dann stiegen die beiden Damen in das Taxi und fuhren nach

Rutherford Hall.

«Ein Taxi fährt vor. Wer kann das sein?» fragte Emma,

aus dem Fenster blickend. «Ich glaube, es ist Lucys alte

Tante.»

«Wie lästig!» sagte Cedric.

Er lag langgestreckt in einem Liegestuhl und las in einer

Zeitschrift.

«Sag, du seist nicht zu Hause!»

«Wie denkst du dir das? Soll ich etwa an die Tür gehen

und ihr das selber sagen? Oder verlangst du, ich solle Lucy

sagen, sie möchte es ihrer Tante bestellen?»

«Daran hatte ich nicht gedacht>, erwiderte Cedric.

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