Padington by Agatha Christie

den Pullover! Es ist ganz nach meinem Geschmack. Und

was macht der Garten? In dieser Jahreszeit gibt es da

vermutlich nicht viel zu tun.

Herzliche Grüße

Dein David

Miss Marple lächelte, als sie den Brief las. Dann

überlegte sie, was aus dieser Auskunft zu folgern war. Mrs.

McGillicuddy hatte nachdrücklich betont, der betreffende

Wagen sei kein Wagen mit einem Durchgang gewesen.

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Daher kam der Expreß nach Swansea nicht in Betracht. Es

maßte sich um den Zug 16 Uhr 33 gehandelt haben.

Leider schien es sich nicht vermeiden zu lassen, daß sie

sich wieder in den Zug setzte. Sie seufzte, machte aber ihre

Pläne.

Sie fuhr mit dem Zug 12 Uhr 15 nach London. Diesmal

aber kehrte sie nicht mit dem Zug 16 Uhr 5o zurück, sondern

fuhr mit dem Zug 16 Uhr 33 bis Brackhampton. Die Reise

war ereignislos, aber Miss Marple stellte doch gewisse

Einzelheiten fest. Der Zug war alles andere als überfüllt. Nur

ein einziger Reisender fuhr erster Klasse: ein sehr alter Herr,

der Zeitung las. Miss Marple fuhr in einem leeren Abteil,

und beide Male, da der Zug hielt, in Haling Broadway und

Barwell Heath, lehnte sie sich aus dem Fenster und beobachtete

die Reisenden, die ein- oder ausstiegen. Ein paar Fahrgäste

dritter Klasse stiegen in Haling Broadway zu. In Barwell

Heath stiegen mehrere Passagiere dritter Klasse aus.

Als der Zug sich Brackhampton näherte und in eine Kurve

einbog, stand Miss Marple auf, trat ans Fenster, dem sie den

Rücken zukehrte, nachdem sie das Rouleau heruntergelassen

hatte.

Sie stellte fest, daß der plötzliche Schnelligkeitsverlust

und das gleichzeitige Einbiegen in eine Kurve genügten, um

einen das Gleichgewicht verlieren zu lassen und gegen das

Fenster zu drücken. Infolgedessen war es leicht möglich, daß

das Rouleau plötzlich hochschnellte. Sie blickte in die

Dunkelheit hinaus. Es war heller als an dem Tag, da Mrs.

McGillicuddy dieselbe Reise gemacht hatte, aber immer

noch ziemlich dunkel. Um genauere Beobachtungen anstellen

zu können, maßte sie die Fahrt bei hellem Tageslicht

machen.

Am folgenden Tag benutzte sie den frühen Morgenzug,

kaufte etwas ein, da sie nun einmal in London war, und fuhr

mit einem Zug zurück, der den Bahnhof Paddington um 12

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Uhr 15 verließ. Wieder war sie allein in einem Wagen erster

Klasse. Ja, diese Steuern! dachte Miss Marple. Daran liegt

es. Niemand kann es sich mehr leisten, erster Klasse zu

fahren.

Etwa eine Viertelstunde vor der fahrplanmäßigen Ankunft

des Zuges in Brackhampton holte Miss Marple die

Landkarte hervor, die ihr Leonard geliehen hatte, und begann,

das Gelände zu betrachten. Sie hatte die Karte schon

vorher sehr sorgfältig studiert. Nachdem sie den Namen des

Bahnhofs, den sie gerade passierten, festgestellt hatte, gelang

es ihr, auf der Karte die Stelle zu finden, an der der Zug

sich befand, als er die Fahrt verlangsamte, weil er in eine

Kurve einbog. Es war eine sehr weite Kurve. Miss Marple

druckte die Nase an die Fensterscheibe und studierte höchst

aufmerksam das abschüssige Gelände.

Der Zug fuhr auf einem ziemlich hohen Bahndamm. Sie

teilte ihre Aufmerksamkeit zwischen der Landschaft draußen

und ihrer Karte, bis der Zug schließlich in Brackhampton

einlief.

Am selben Abend schrieb sie einen Brief an Miss

Florence Hill, 4 Madison Road, Brackhampton, und brachte

ihn sofort zur Post. Am nächsten Morgen ging sie in die

Kreisbibliothek und studierte dort ein Adreßbuch, ein

geographisches Nachschlagewerk und ein Geschichtsbuch

des Kreises.

Bisher hatte sie nichts entdecken können, was zu ihrer

vagen Idee im Widerspruch gestanden hätte. Sie konnte sagen,

daß das, was sie sich vorstellte, zweifellos möglich war.

Der nächste Schritt aber machte Aktivität notwendig,

sehr viel Aktivität, eine Art von Aktivität, zu der sie selber

körperlich nicht mehr imstande war. Wenn ihre Theorie sich

endgültig als richtig oder als irrig erweisen sollte, bedurfte

sie jetzt der Hilfe eines Dritten. Die Frage war nur, wen sie

dazu heranziehen konnte. Miss Marple ließ sich verschie –

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dene Namen und Möglichkeiten durch den Kopf gehen,

verwarf sie aber mißmutig eine nach der andern.

Sie wurde immer verdrossener und fast verzagt, während

sie sich weiter den Kopf zerbrach.

Plötzlich aber hellte sich ihr Gesicht auf:

«Aber natürlich! Lucy Eyelesbarrow!»

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Der Name Lucy Eyelesbarrow war in gewissen Kreisen

gut bekannt. Sie war zweiunddreißig Jahre alt, hatte in

Oxford erfolgreich ihr Studium der Mathematik

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