S t e p h e n W. H a w k i n g. E i n s t e i n s T r a u m

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Im April 1993 lag es in den USA in der vierzigsten Hardcover- und der neunzehnten Taschenbuchauflage vor, in England in der neununddreißigsten Hardcoverauflage.

zensent) nicht ganz verstehe. Doch wenn Hawking recht hat und wir eine vollständige einheitliche Theorie finden, werden wir den Plan Gottes kennen. (In den Fahnen hätte ich den letzten Satz, der sich auf den Plan Gottes bezieht, fast gestrichen. Hätte ich es getan, wären vielleicht nur halb so viele Exemplare verkauft worden.)

Wesentlich scharfsinniger (so schien mir) war ein Artikel in The Independent, einer Londoner Zeitung, in dem es hieß, selbst ein seriöses naturwissenschaftliches Sachbuch wie könne zu einem Kultbuch werden. Meine Frau war entsetzt, aber ich fühlte mich durchaus geschmeichelt, als mein Buch mit Pirsigs verglichen wurde. Ich hoffe, daß es wie Zen den Menschen das Gefühl gibt, nicht von den großen geistigen und philo-sophischen Fragen abgeschnitten zu sein.

Zweifellos hat der menschliche Aspekt – daß es mir gelungen ist, trotz meiner Behinderung als theoretischer Physiker zu arbeiten – zum Erfolg des Buches beigetragen. Doch die Leser, die es gekauft haben, um darüber etwas zu erfahren, dürften enttäuscht worden sein, denn es enthält nur wenige Hinweise auf meine Lebensumstände. Ich wollte ein Buch über die Geschichte des Universums schreiben, nicht über mich. Dennoch hat man Bantam vorgeworfen, meine Krankheit schamlos ausgenutzt zu haben, und ich hätte mitgespielt, denn schließlich sei ich ja damit einverstanden gewesen, daß mein Bild auf dem Schutzumschlag erschien. Leider räumt mir mein Vertrag keinerlei Einfluß auf die Umschlaggestaltung ein. Immerhin habe ich Bantam dazu überreden können, für die britische Ausgabe das unpassende veraltete Foto der amerikanischen Ausgabe gegen ein besseres auszutauschen. Das Bild auf dem amerikanischen Umschlag will Bantam jedoch nicht erneuern; die amerikanische Leserschaft, so die Begründung, identifiziere das Foto inzwischen mit dem Buch.

Es wurde auch die Vermutung geäußert, die Menschen kauften das Buch, weil sie durch Rezensionen darauf aufmerksam geworden seien oder weil es auf der Bestsellerliste stehe, aber sie läsen es nicht; sie hätten es nur im Bücherregal stehen oder auf dem Couchtisch liegen, um damit renommieren zu können, ohne sich der Mühe zu unterziehen, sich mit seinem Inhalt vertraut zu machen. Sicher, das kommt vor – allerdings weiß ich nicht, ob in diesem Fall häufiger als bei den meisten anderen ernsthaften Büchern, einschließlich der Bibel und Shakespeares Werken. Andererseits weiß ich mit Sicherheit, daß zumindest einige Menschen es lesen, denn ich bekomme jeden Tag stapel-weise Briefe zu meinem Buch, in denen oft Fragen oder eingehende Anmerkungen stehen, die zeigen, daß ihre Verfasser das Buch kennen, wenn auch vielleicht nicht immer ganz verstanden haben. Manchmal halten mich Fremde auf der Straße an und berichten mir, welche Freude ihnen das Buch gemacht hat. Na-türlich bin ich leichter zu erkennen als die meisten anderen Autoren. Da mir jedoch solche Bemerkungen in der Öffentlichkeit häufig zuteil werden (sehr zum Mißfallen meines neunjährigen Sohnes), scheint der Schluß zulässig, daß zumindest ein Teil der Käufer das Buch auch gelesen hat.

Ich werde jetzt immer wieder gefragt, was ich als nächstes schreiben werde. Eine Fortsetzung der kann ich wohl kaum schreiben. Wie sollte ich sie nennen?

«Eine längere Geschichte der Zeit»? «Jenseits des Endes der Zeit»? «Der Sohn der Zeit»? Mein Agent hat mir vorgeschlagen, einen Film über mein Leben drehen zu lassen. Doch meine Familie und ich verlören alle Selbstachtung, wenn wir uns durch Schauspieler darstellen ließen. Gleiches würde gelten, obwohl in geringerem Maße, wenn ich jemandem hülfe, ein Buch über mein Leben zu schreiben. Natürlich kann ich nie-manden daran hindern, mein Leben zu schildern, solange er keine Verleumdungen verbreitet, aber ich versuche alle Inter-

essenten davon abzubringen, indem ich ihnen erkläre, ich plane eine Autobiographie zu verfassen. Vielleicht werde ich das auch tun, aber ich habe es damit nicht eilig. Es gibt zu viele wissenschaftliche Probleme, mit denen ich mich vorher beschäftigen möchte.

Mein

Standpunkt

Wer wissen will, ob ich an Gott glaube, wird in diesem Aufsatz keine Antwort finden. Mir geht es vielmehr um die Frage, wie sich das Universum verstehen läßt. Welchen Sta-tus und welche Bedeutung hat eine Große Vereinheitlichte Theorie, eine «Theorie für Alles»? Dabei stößt man gleich auf ein Problem. Die Menschen, die sich von Haus aus mit dieser Frage auseinandersetzen müßten, die Philosophen, sind meist mathematisch nicht beschlagen genug, um die modernen Entwicklungen in der theoretischen Physik verfolgen zu können. Es gibt eine Unterart, Leute, die Philosophie der Naturwissenschaften betreiben und eigentlich bessere Voraussetzungen mitbrin-gen müßten. Doch viele von ihnen sind gescheiterte Physiker, denen es zu schwer war, neue Theorien zu entwickeln, und die sich deshalb entschlossen haben, lieber über die Philosophie der Physik zu schreiben. Noch immer zerbrechen sie sich den Kopf über die naturwissenschaftlichen Theorien der ersten Dekaden unseres Jahrhunderts – etwa die Relativitätstheorie und die Quantenmechanik -, während sie in den vordersten Reihen der physikalischen Forschung noch nie gesichtet wurden.

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