S t e p h e n W. H a w k i n g. E i n s t e i n s T r a u m

Das eröffnet natürlich ungeahnte Möglichkeiten für die Raumfahrt. Tatsächlich brauchen wir eine Möglichkeit wie diese, wenn wir Reisen zu anderen Sternen oder gar zu anderen Gala-

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Hitchcock-Vortrag, gehalten im April 1988 an der University of California, Berkeley.

xien zu einem praktikablen Zukunftsunternehmen machen wollen. Da sich nichts rascher fortbewegen kann als das Licht, würde sonst die Reise zum nächsten Stern mindestens acht Jahre dauern. Soviel zum Wochenendausflug nach Alpha Centauri!

Könnte man dagegen durch ein Schwarzes Loch hindurchkom-men, würde man vielleicht irgendwo im Universum wiederauftauchen. Unklar ist nur, wie man seinen Bestimmungsort wählt: Sie wollen Ihre Ferien im Virgo-Haufen verbringen und landen im Krebsnebel.

Es tut mir leid, daß ich die Hoffnungen künftiger galaktischer Touristen enttäuschen muß, aber dieses Szenario funktioniert nicht: Wenn Sie in ein Schwarzes Loch springen, wird es Sie zerreißen und umbringen. Doch in gewissem Sinne könnten die Teilchen, aus denen Ihr Körper besteht, in ein anderes Universum gelangen. Ich weiß allerdings nicht, ob es für jemanden, der in einem Schwarzen Loch zu Spaghetti verarbeitet wird, ein gro-

ßer Trost ist, zu wissen, daß seine Elementarteilchen möglicherweise überleben.

Trotz meines etwas schnoddrigen Tons geht es in diesem Aufsatz um ernsthafte Wissenschaft. Die meisten Dinge, von denen ich hier berichte, werden von anderen Wissenschaftlern, die auf diesem Gebiet arbeiten, inzwischen anerkannt, wenn es auch lange Zeit gedauert hat, bis sich diese Zustimmung einstellte.

Der letzte Teil des Aufsatzes stützt sich allerdings auf neueste Arbeiten, über die noch keine Einigkeit herrscht. Aber sie finden viel Aufmerksamkeit und Interesse.

Obwohl das Konzept dessen, was wir heute Schwarzes Loch nennen, mehr als zweihundert Jahre alt ist, wurde die Bezeichnung erst 1967 von dem amerikanischen Physiker John Wheeler eingeführt. Das war ein Geniestreich: Der Name sorgte dafür, daß Schwarze Löcher Eingang in die Mythologie der Science-fiction fanden, und er regte zugleich die wissenschaftliche Forschung an, weil er einen anschaulichen Begriff für etwas lie-

ferte, was bis dahin noch keine befriedigende Bezeichnung gefunden hatte. Man darf die Bedeutung eines griffigen Namens in der Wissenschaft nicht unterschätzen.

Als erster hat sich meines Wissens John Mitchell aus Cambridge mit dem Problem der Schwarzen Löcher auseinanderge-setzt, als er 1783 einen Aufsatz über sie schrieb. Dort geht er folgender Idee nach: Nehmen wir an, wir schießen eine Kanonenkugel von der Erdoberfläche senkrecht nach oben. Bei ihrem Aufstieg verlangsamt sich ihre Geschwindigkeit unter dem Einfluß der Schwerkraft. Schließlich kommt die Aufwärtsbewegung zum Stillstand, und die Kugel fällt zur Erde zurück. Wenn ihre Geschwindigkeit allerdings einen bestimmten kritischen Wert übersteigt, gibt es kein Halten mehr: Sie hält in ihrer Aufwärtsbewegung nicht inne und fällt nicht zurück, sondern bewegt sich immer weiter fort. Diese kritische Geschwindigkeit bezeichnet man als Fluchtgeschwindigkeit. Sie beträgt für die Erde ungefähr elf Kilometer pro Sekunde und für die Sonne rund hundertsechzig Kilometer pro Sekunde. Beide Geschwindigkeiten sind größer als die einer echten Kanonenkugel, aber weit geringer als die Lichtgeschwindigkeit, die etwa 300000 Kilometer pro Sekunde beträgt. Daraus folgt, daß die Schwerkraft keinen großen Einfluß auf Licht hat: Es kann der Erde oder der Sonne leicht entkommen. Doch man könnte sich, argumentierte Mitchell, einen Stern vorstellen, der eine so große Masse besitzt und so klein ist, daß die daraus resultierende Fluchtgeschwindigkeit die Lichtgeschwindigkeit übersteigt. Einen solchen Stern, schrieb Mitchell, könnten wir nicht sehen, weil das Licht von seiner Oberfläche uns nicht erreichen könnte; es würde vom Gravitationsfeld des Sterns festgehalten werden. Wir könnten die Anwesenheit dieses Sterns jedoch möglicherweise anhand der Wirkung seines Gravitationsfeldes auf Materie in seiner Nähe feststellen.

Es ist nicht ganz zulässig, das Licht wie eine Kanonenkugel zu

behandeln. Nach einem Experiment aus dem Jahr 1897 bewegt sich Licht stets mit der gleichen, konstanten Geschwindigkeit fort. Wie kann die Schwerkraft dann das Licht abbremsen? Eine Theorie, die schlüssig beschreibt, wie die Schwerkraft auf das Licht einwirkt, liegt erst seit 1915 mit Einsteins allgemeiner Relativitätstheorie vor. Indes, welche Bedeutung diese Theorie für alte Sterne und andere massereiche Körper hat, wurde erst in den sechziger Jahren allgemein erkannt.

Nach der allgemeinen Relativitätstheorie kann man Raum und Zeit zusammen als vierdimensionalen Raum, die sogenannte Raumzeit, betrachten. Dieser Raum ist nicht flach, sondern durch die in ihm enthaltene Materie und Energie ge-krümmt. Wir können diese Krümmung an der Ablenkung von Licht- oder Radiowellen beobachten, die auf ihrer Reise zu uns an der Sonne vorbeikommen. Bei Licht, dessen Bahn nahe der Sonne verläuft, ist die Ablenkung sehr gering. Doch würde die Sonne schrumpfen, bis ihr Durchmesser nur noch ein paar Kilometer betrüge, dann wäre der Beugungseffekt so groß, daß ihr Licht nicht mehr entkommen könnte – es würde von ihrem Gravitationsfeld festgehalten werden. Nach der Relativitätstheorie kann sich nichts schneller bewegen als mit Lichtgeschwindigkeit. Also wäre dies eine Region, aus der nichts entweichen kann. Eine solche Region bezeichnet man als Schwarzes Loch.

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