S t e p h e n W. H a w k i n g. E i n s t e i n s T r a u m

Seine Grenze heißt Ereignishorizont und wird von dem Licht gebildet, dem es gerade nicht mehr gelingt, dem Schwarzen Loch zu entkommen, so daß es sich jetzt an seinem Rand in der Schwebe befindet.

Die Annahme, die Sonne könne auf einen Durchmesser von wenigen Kilometern schrumpfen, mag lächerlich erscheinen.

Man möchte annehmen, Materie ließe sich nicht so weit kompri-mieren – und doch ist dies, wie sich zeigt, durchaus möglich.

Die Sonne besitzt ihre gegenwärtige Größe, weil sie extrem heiß ist. Wie in einer unter Kontrolle gehaltenen H-Bombe ver-

brennt sie Wasserstoff zu Helium. Die durch diesen Prozeß freigesetzte Wärme erzeugt einen Druck, der es der Sonne ermöglicht, der Anziehung der eigenen Schwerkraft zu widerstehen, die bestrebt ist, ihre Größe zu verringern.

Doch irgendwann wird der Sonne der Kernbrennstoff ausgehen. Bis dahin haben wir noch weitere fünf Milliarden Jahre Zeit, so daß es keine übermäßige Eile hat, den Flug zu einem anderen Stern zu buchen. Doch Sterne mit größerer Masse als die Sonne zehren ihren Brennstoff sehr viel rascher auf. Wenn er verbraucht ist, verlieren sie ihre Wärme und ziehen sich zusammen. Besitzen sie weniger als ungefähr die doppelte Sonnenmasse, so wird dieser Kontraktionsprozeß schließlich zum Stillstand kommen – die Sterne erreichen einen stabilen Zustand, Einen dieser Zustände bezeichnet man als Weißen Zwerg, Sterne dieser Kategorie haben einen Radius von einigen tausend Kilometern und eine Dichte von einigen hundert Tonnen pro Kubikzentimeter. Ein anderer Zustand dieser Art ist ein Neutronenstern, der einen Radius von ungefähr fünfzehn Kilometern und eine Dichte von Millionen Tonnen pro Kubikzentimeter aufweist.

In der Milchstraße beobachten wir in unserer unmittelbaren Nachbarschaft eine große Zahl von Weißen Zwergen. Von der Existenz der Neutronensterne wissen wir jedoch erst seit 1967, als Jocelyn Bell und Antony Hewish von der Cambridge University die sogenannten Pulsare entdeckten, die regelmäßige Radio-wellenpulse emittieren. Zunächst meinten sie, sie hätten Kontakt zu einer außerirdischen Zivilisation aufgenommen. Ich erinnere mich noch, daß der Hörsaal, in dem sie ihre Entdeckung bekanntgaben, mit «kleinen grünen Männern» aus Pappe geschmückt war. Am Ende kamen sie und alle anderen damit be-faßten Wissenschaftler jedoch zu der weniger romantischen Schlußfolgerung, daß es sich bei diesen Objekten um rotierende Neutronensterne handelt. Das war eine schlechte Nachricht für

die Autoren von Weltraum-Western, aber eine gute Nachricht für uns kleine Schar von Leuten, die damals an Schwarze Löcher glaubten. Wenn Sterne auf einen Durchmesser von fünfzehn oder dreißig Kilometern kollabieren können und dabei zu Neu-tronensternen werden, dann durfte man, wie wir meinten, auch erwarten, daß andere Sterne noch weiter schrumpfen, bis sie Schwarze Löcher sind.

Ein Stern mit mehr als ungefähr der doppelten Sonnenmasse kann keinen stabilen Zustand als Weißer Zwerg oder Neutronenstern annehmen. In einigen Fällen explodiert der Stern und schleudert so viel Materie in den Weltraum, daß seine Masse unter den Grenzwert absinkt. Doch das wird nicht in allen Fällen geschehen. Einige Sterne werden immer weiter schrumpfen, bis ihr Gravitationsfeld das Licht so stark beugt, daß es zum Stern zurückgelenkt wird. Ihm kann weder Licht noch etwas anderes mehr entkommen. Der Stern ist zu einem Schwarzen Loch geworden.

Die Gesetze der Physik sind zeitsymmetrisch. Wenn es also Objekte namens Schwarze Löcher gibt, in die Dinge hineinfallen und aus denen nichts entkommen kann, dann muß es andere Objekte geben, aus denen Dinge entweichen, in die aber nichts hineinfallen kann. Man könnte sie Weiße Löcher nennen. So wäre es vorstellbar, daß man an einem Ort in ein Schwarzes Loch hineinspränge und an einem anderen Ort aus einem Weißen Loch hervorkäme. Wie oben erwähnt, wäre das eine ideale Methode, um große Entfernungen im All zurückzu-legen. Man müßte nur ein nahe gelegenes Schwarzes Loch finden.

Zunächst schien es, als sei diese Form der Weltraumreise möglich. Es gibt Lösungen für die Gleichungen der allgemeinen Relativitätstheorie, nach denen man in ein Schwarzes Loch fallen und aus einem Weißen Loch herauskommen kann. Doch nachfolgende Arbeiten zeigten, daß diese Lösungen alle instabil

waren: Die leiseste Störung, etwa die Anwesenheit eines Raumschiffes, muß das «Wurmloch», die Passage, die vom Schwarzen zum Weißen Loch führt, zerstören. Das Raumschiff würde von unendlich starken Kräften zerrissen werden – wie ein Holzfaß, mit dem man die Niagarafälle zu überwinden versucht.

Danach schien es keine Hoffnung mehr zu geben. Schwarze Löcher mochten dazu nützlich sein, Müll loszuwerden, vielleicht auch ein paar Freunde, aber sie waren ein «Land ohne Wiederkehr». Nun stützt sich aber alles, was ich bislang dar-gelegt habe, auf Berechnungen nach Einsteins allgemeiner Relativitätstheorie. Sie stimmt vorzüglich mit all den Beobachtungen überein, die wir gemacht haben. Doch wir wissen, daß sie nicht ganz richtig sein kann, weil sie das Unbestimmtheitsprinzip der Quantenmechanik nicht berücksichtigt. Nach diesem Prinzip können Teilchen nicht zugleich einen genau definierten Ort und eine genau definierte Geschwindigkeit haben. Je genauer man die Position eines Teilchens mißt, desto weniger genau kann man seine Geschwindigkeit messen und umgekehrt.

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