S t e p h e n W. H a w k i n g. E i n s t e i n s T r a u m

ders originell oder subtil sind – sie geben einfach meine gegenwärtigen Gedanken zu dieser Frage wieder.

Beginnen wir mit dem ersten Problem: Wie kann gemäß einer relativ einfachen und kompakten Theorie ein Universum entstehen, daß so komplex ist, wie es unsere Beobachtungsdaten zeigen, mit all seinen trivialen und unwichtigen Einzelheiten? Hier ist das Unbestimmtheitsprinzip der Quantenmechanik von entscheidender Bedeutung. In der heutigen Entwicklungsphase des Universums ist die Unbestimmtheit nicht so wichtig, denn die Dinge sind so weit voneinander entfernt, daß eine kleine Unbestimmtheit in der Position keine große Rolle spielt. Doch im sehr frühen Weltall lag alles extrem dicht beieinander. Es gab ein hohes Maß an Unbestimmtheit und zahlreiche mögliche Zustände des Universums. Diese verschiedenen möglichen Frühzustände haben sich zu einer ganzen Familie verschiedener Geschichten des Universums entwickelt. Die meisten dieser Geschichten dürften sich in ihren großräumigen Merkmalen ähneln. Sie entsprechen einem Universum, das gleichförmig und glatt ist und expandiert. Doch in den Einzelheiten unterscheiden sie sich – in der Verteilung der Sterne und noch mehr in dem, was auf den Titelseiten ihrer Zeitschriften steht (vorausgesetzt, es gibt in diesen Geschichten Zeitschriften). Die Komplexität des Universums um uns her und seine Details entwickelten sich also auf Grund des Unbestimmtheitsprinzips während der frühen Stadien. Daraus ergibt sich eine große Vielfalt möglicher Geschichten für das Universum. Es existiert sicherlich auch eine Geschichte, in der Hitler und Genossen den Zweiten Weltkrieg gewonnen haben; allerdings ist ihre Wahrscheinlichkeit gering.

Doch uns fällt es zu, in der Geschichte zu leben, in der die Alliier-ten gesiegt haben und Madonna auf der Titelseite des Cosmopolitan prangt.

Nun zum zweiten Problem: Wenn das, was wir tun, von einer großen vereinheitlichten Theorie bestimmt ist, warum sollte die

Theorie festlegen, daß wir zu richtigen Schlußfolgerungen über das Universum gelangen und nicht zu falschen? Bei der Antwort auf diese Frage stütze ich mich auf Darwins Theorie der natürlichen Selektion. Ich gehe davon aus, daß sich auf der Erde durch Zufallskombinationen von Atomen eine sehr primitive Form von Leben gebildet hat. Wahrscheinlich handelte es sieh dabei um ein Makromolekül, aber nicht um DMA, denn die Wahrscheinlichkeit, daß sich ein ganzes DNA-Molekül durch Zufallskombinationen bildet, ist gering.

Die frühen Lebensformen haben sich selbst reproduziert. Das Unbestimmtheitsprinzip der Quantenmechanik und die zufälligen Wärmebewegungen der Atome dürften für eine gewisse Zahl von Reproduktionsfehlern gesorgt haben. Die meisten dieser Fehler werden den Organismus am Überleben oder an der Reproduktion gehindert haben. Solche Fehler wurden nicht an künftige Generationen weitergegeben; sie starben aus. Einige wenige Fehler erwiesen sich rein zufällig als vorteilhaft. Organismen mit solchen Fehlern hatten bessere Chancen, zu überleben und sich fortzupflanzen. So verdrängten sie in der Regel die ursprünglichen Organismen, denen diese Verbesserung fehlte.

Die Entwicklung der Doppelhelix der DNA dürfte eine solche Verbesserung in frühen Stadien gewesen sein. Wahrscheinlich bedeutete sie einen solchen Vorteil, daß sie alle früheren Lebensformen ersetzte, wie auch immer sie ausgesehen haben mögen.

Im Laufe des Evolutionsprozesses hat sich dann das Zentralnervensystem gebildet. Geschöpfe, die die Bedeutung der von ihren Sinnesorganen zusammengetragenen Daten korrekt zu erkennen und entsprechend zu handeln vermochten, hatten bessere Überlebens- und Reproduktionschancen. Die Menschheit hat dieses Prinzip auf eine andere Stufe übertragen. Nach Körperbau und DMA-Struktur haben wir große Ähnlichkeit mit den höheren Ordnungen der Affen. Doch eine winzige Veränderung unserer DNA hat es uns ermöglicht, die Sprache zu entwickeln.

Dadurch können wir Information und erworbene Erfahrung in gesprochener oder geschriebener Form von einer Generation an die nächste weitergeben. Vorher ließen sich die Ergebnisse von Erfahrungen nur im langwierigen Prozeß der DNA-Kodie-rung durch Zufallsfehler in der Reproduktion weitergeben. Die Sprache brachte der Evolution eine spektakuläre Beschleuni-gung. Mehr als drei Milliarden Jahre dauerte die Evolution des Menschen. In den letzten zehntausend Jahren haben wir die Schriftsprache entwickelt. Sie hat uns vom Stadium der Höhlenmenschen bis zu dem Punkt geführt, an dem wir nach der endgültigen Theorie des Universums suchen können.

In den letzten zehntausend Jahren hat es keine nennenswerte biologische Evolution, keine Veränderung der menschlichen DMA gegeben. Mithin muß unsere Intelligenz – die Fähigkeit, die richtigen Schlußfolgerungen aus den Informationen zu ziehen, die unsere Sinnesorgane uns liefern – in die Zeit unseres Höhlenmenschendaseins oder noch weiter zurückreichen.

Wahrscheinlich ist sie das Ergebnis eines Selektionsprozesses, dessen Grundlage unsere Fähigkeit bildete, bestimmte Tiere für Nahrungszwecke zu töten und uns vor den Angriffen anderer Tiere zu schützen. Es ist bemerkenswert, daß geistige Qualitä-

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