S t e p h e n W. H a w k i n g. E i n s t e i n s T r a u m

ßem Maßstab gesehen ist das Verhalten des Universums einfach und nicht chaotisch. Es läßt sich deshalb weit in die Zukunft vorhersagen.

Da die Expansion des Universums so gleichförmig ist, kann man sie durch eine einzige Zahl beschreiben, den Abstand zwischen zwei Galaxien. Er nimmt gegenwärtig zu, doch es ist vor-auszusehen, daß die Gravitationskraft zwischen verschiedenen

Galaxien die Expansionsrate verlangsamt. Wenn die Dichte des Universums über einem bestimmten kritischen Wert liegt, wird die Gravitation die Expansion schließlich zum Stillstand bringen und eine Kontraktionsbewegung des Universums auslösen. Das Universum fiele in einem Großen Endkollaps in sich zusammen.

Dies gliche weitgehend dem Urknall, mit dem das Universum begann. Der Große Endkollaps wäre eine Singularität, ein Zustand von unendlicher Dichte, an dem die Gesetze der Physik ihre Gültigkeit verlieren. Selbst wenn es also Ereignisse nach dem Großen Endkollaps gäbe, ließen sie sich nicht vorhersagen.

Ohne eine kausale Verknüpfung zwischen Ereignissen ist keine sinnvolle Angabe möglich, die besagt, daß ein Ereignis nach einem anderen geschieht. Genausogut könnte man sagen, unser Universum ende am Großen Endkollaps und jedes Ereignis «danach» sei Teil eines anderen, separaten Universums. Der Vorgang erinnert an die Reinkarnation. Welche Bedeutung kann die Behauptung haben, in einem neugeborenen Kind stecke ein Mensch, der zuvor gestorben sei, wenn das Kind nicht bestimmte Eigenschaften oder Erinnerungen aus seinem vorher-gehenden Leben mitbringt? Man könnte ebensogut sagen, es sei ein anderer Mensch.

Liegt die durchschnittliche Dichte des Universums unter dem kritischen Wert, wird es nicht in sich zusammenstürzen, sondern endlos expandieren. Nach einer gewissen Zeit wird die Dichte so gering werden, daß die Schwerkraft die Expansion nicht mehr nennenswert abbremsen kann. Die Galaxien werden mit konstanter Geschwindigkeit auseinanderstreben.

Deshalb lautet die entscheidende Frage zur Zukunft des Universums: Welche durchschnittliche Dichte hat es? Liegt sie unter dem kritischen Wert, wird das Universum auf ewig expandieren. Liegt sie darüber, wird das Universum wieder in sich zusammenstürzen und die Zeit selbst im Großen Kollaps enden.

Zum Glück habe ich gewisse Vorteile gegenüber anderen Prophe-

ten des Weltuntergangs. Selbst wenn das Universum eines Tages wieder in sich zusammenfallen sollte, kann ich mit Sicherheit vorhersagen, daß es mit seiner Expansion noch mindestens zehn Milliarden Jahre fortfahren wird. Ich rechne nicht damit, dann dazusein, so daß man es mir nicht vorhalten können wird, wenn ich mich geirrt habe.

Wir können versuchen, die durchschnittliche Dichte des Universums aus Beobachtungsdaten zu schließen. Wenn wir die Sterne zählen, die wir sehen, und ihre Massen addieren, kommen wir auf weniger als ein Prozent der kritischen Dichte. Selbst wenn wir die Massen der Gaswolken hinzuzählen, die wir im Universum beobachten, erhalten wir insgesamt nur ungefähr ein Prozent des kritischen Werts. Wir wissen jedoch, daß das Universum sogenannte dunkle Materie enthalten muß, die wir nicht direkt beobachten können. Ein Hinweis auf diese dunkle Materie stammt aus Spiralgalaxien. Das sind riesige pfann-kuchenförmige Ansammlungen von Sternen und Gas. Die Beobachtung zeigt, daß sie um ihr Zentrum rotieren. Doch ihre Rotationsgeschwindigkeit ist so hoch, daß sie auseinanderfliegen würden, enthielten sie nur die Sterne und Gase, die wir sehen können. Es muß also irgendeine unsichtbare Form von Materie geben, deren Schwerkraft groß genug ist, um die Galaxien in ihrer Rotationsbewegung zusammenzuhalten.

Ein weiterer Hinweis auf die Existenz dunkler Materie stammt aus den Galaxienhaufen. Wir beobachten, daß Galaxien nicht gleichförmig im All verteilt sind, sondern sich in Haufen anordnen, deren Umfang von einigen wenigen bis zu Millionen Galaxien reicht. Wahrscheinlich haben sich diese Haufen gebildet, weil die Galaxien sich auf Grund ihrer Anziehungskraft zu solchen Gruppen zusammengeschlossen haben. Wenn wir allerdings die Geschwindigkeiten messen, mit denen sich einzelne Galaxien in diesen Haufen bewegen, so erweisen sie sich als so hoch, daß die Haufen auseinanderfliegen müßten, würden sie

nicht durch Gravitation zusammengehalten. Dazu ist eine Masse erforderlich, die beträchtlich größer sein muß als die aller im Haufen vorhandenen Galaxien. Daraus folgt, daß es zusätzliche dunkle Materie in den Galaxienhaufen außerhalb der Galaxien, die wir sehen, geben muß.

Die Menge der dunklen Materie in Galaxien und Haufen, für die wir eindeutige Anhaltspunkte haben, läßt sich ziemlich zuverlässig schätzen. Mit dieser Schätzung liegen wir allerdings erst bei ungefähr zehn Prozent der kritischen Dichte, die erforderlich ist, um das Universum wieder kollabieren zu lassen.

Wenn man sich also nur nach den Beobachtungsdaten richtete, müßte man vorhersagen, daß das Universum seine Expansion ewig fortsetzen wird. In etwa fünf Milliarden Jahren wird die Sonne ihren Kernbrennstoff aufgebraucht haben. Sie wird sich aufblähen, bis sie ein sogenannter Roter Riese geworden ist und die Erde nebst allen anderen Planeten verschlungen hat. Anschließend wird sie zu einem Weißen Zwerg schrumpfen, einem Stern von nur noch ein paar tausend Kilometern Durchmesser.

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