S t e p h e n W. H a w k i n g. E i n s t e i n s T r a u m

Mithin kündige ich das Ende der Welt an, allerdings noch nicht gleich. Auf die Börse wird sich diese Vorhersage wohl kaum aus-wirken. Es dürfte ein, zwei Probleme geben, die dringlicher sind.

Jedenfalls sollten wir die Kunst interstellarer Raumfahrt beherrschen, wenn die Sonne anfängt, sich aufzublähen – falls wir uns bis dahin nicht schon selbst zerstört haben.

Nach etwa zehn Milliarden Jahren werden die meisten Sterne im Universum erloschen sein. Sterne mit einer Masse, wie sie die Sonne hat, werden Weiße Zwerge werden oder auch Neutronensterne, die noch kleiner und dichter sind als Weiße Zwerge.

Massereichere Sterne können zu Schwarzen Löchern werden, die abermals kleiner sind und so starke Gravitationsfelder besitzen, daß ihnen kein Licht entkommen kann. Doch auch diese Überreste werden nach wie vor das Zentrum unserer Galaxis umkreisen, etwa alle hundert Millionen Jahre einmal. Kollisio-

nen zwischen den Überresten werden dazu führen, daß einige aus der Galaxis hinausgeschleudert werden. Die zurückbleiben-den Sternenreste werden das Zentrum auf immer engeren Umlaufbahnen umkreisen und sich schließlich zu einem riesigen Schwarzen Loch im Mittelpunkt der Galaxis zusammenschlie-

ßen. Woraus auch immer die dunkle Materie in Galaxien und Haufen bestehen mag, es ist zu erwarten, daß auch sie in diese sehr großen Schwarzen Löcher stürzen wird.

Deshalb könnte man annehmen, daß der größte Teil der Materie von Galaxien und Haufen schließlich in Schwarzen Löchern enden wird. Doch vor einiger Zeit habe ich entdeckt, daß Schwarze Löcher gar nicht so schwarz sind, wie sie immer dargestellt werden. Nach dem Unbestimmtheitsprinzip der Quantenmechanik haben Teilchen nicht zugleich einen genau definierten Ort und eine genau definierte Geschwindigkeit. Je genauer man den Ort eines Teilchens bestimmt, desto weniger genau läßt sich seine Geschwindigkeit festlegen und umgekehrt. Wenn sich ein Teilchen in einem Schwarzen Loch befindet, ist sein Ort innerhalb des Schwarzen Loches genau definiert. Damit läßt sich seine Geschwindigkeit nicht genau bestimmen. Deshalb kann die Geschwindigkeit des Teilchens größer als die Lichtgeschwindigkeit sein, womit es in der Lage wäre, aus dem Schwarzen Loch zu entkommen. Auf diese Weise entweichen Teilchen und Strahlung langsam aus dem Schwarzen Loch. Ein riesiges Schwarzes Loch im Zentrum einer Galaxie hätte einen Durchmesser von einigen Millionen Kilometern. Damit wäre der Ort eines Teilchens in seinem Innern außerordentlich unbestimmt. Folglich wäre die Unbestimmtheit in der Geschwindigkeit des Teilchens gering, was bedeutet, daß es sehr lange brauchte, um dem Schwarzen Loch zu entkommen. Ein Schwarzes Loch im Zentrum einer Galaxie würde 1090 (eine Eins mit neunzig Nullen) Jahre benötigen, um zu verdunsten und sich vollständig aufzu-lösen. Das ist weit mehr als das gegenwärtige Alter des Univer-

sums, das nur 1010 Jahre beträgt – eine Eins, gefolgt von zehn Nullen. Es bliebe jedoch noch genügend Zeit, sollte das Universum auf ewig expandieren.

Die Zukunft eines Universums, das endlos expandieren würde, wäre ziemlich langweilig. Doch es ist keineswegs sicher, daß dies der Fall sein wird. Schlüssige Beweise haben wir nur für ein Zehntel der Dichte, die für eine Kontraktion des Universums erforderlich ist. Aber es könnte noch weitere Arten dunkler Materie geben, die die durchschnittliche Dichte des Universums auf den kritischen Wert oder sogar über ihn hinaus anheben könnten. Diese zusätzliche dunkle Materie müßte sich außerhalb der Galaxien und Galaxienhaufen befinden – sonst hätten wir ihren Einfluß auf die Rotation von Galaxien oder deren Bewegung in Haufen bemerkt.

Warum sollten wir annehmen, es gebe genug dunkle Materie, um das Universum irgendwann zu einem Kollaps zu veranlassen? Warum geben wir uns nicht mit der Materie zufrieden, für die wir eindeutige Beweise haben? Der Grund ist folgender: Das jetzt bekannte Zehntel der kritischen Dichte erfordert eine unge-heuer genau austarierte Festlegung der Dichte und Expansionsrate am Anfang des Universums. Wäre die Dichte des Universums eine Sekunde nach dem Urknall nur um einen Teil pro tausend Milliarden größer gewesen, wäre es schon nach zehn Jahren wieder in sich zusammengestürzt. Wäre andererseits die Dichte damals um den gleichen Betrag geringer gewesen, so wäre das Universum seit etwa dem zehnten Jahr seiner Existenz praktisch leer.

Wieso war die Anfangsdichte des Universums so sorgfältig gewählt? Vielleicht gab es irgendeinen Grund dafür, daß das Universum genau die kritische Dichte haben muß. Zwei Erklä-

rungen scheinen möglich zu sein. Eine ist das sogenannte anthropische Prinzip, das sich folgendermaßen umschreiben läßt: Das Universum ist, wie es ist, weil wir es nicht beobachten

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