S t e p h e n W. H a w k i n g. E i n s t e i n s T r a u m

Mozart starb vor seiner Vollendung, und einer seiner Schüler hat es aus den hinterlassenen Fragmenten beendet. Der Intro-itus, den wir jetzt hören werden, ist der einzige Teil, den Mozart vollständig geschrieben und orchestriert hat. (MUSIK.) LAWLEY: Wenn man Ihre Theorien stark vereinfacht – ich hoffe, Sie werden mir das verzeihen, Stephen -, haben Sie, so-weit ich das verstehe, früher geglaubt, es habe einen Schöp-fungsaugenblick, einen Urknall gegeben, aber heute sind Sie nicht mehr dieser Meinung. Sie glauben, daß es keinen Anfang und kein Ende gibt, daß das Universum in sich selbst abgeschlossen ist. Heißt das, es hat kein Schöpfungsakt stattgefunden, und deshalb bleibt auch kein Raum mehr für Gott ?

HAWKING: In der Tat, Sie haben das allzusehr vereinfacht. Ich glaube immer noch, daß das Universum einen Anfang in der realen Zeit hat, einen Urknall. Aber es gibt eine andere Art von Zeit, die imaginäre, rechtwinklig zur realen Zeit, in der das Universum keinen Anfang und kein Ende hat. Das würde bedeuten, daß die Art und Weise, wie das Universum begonnen hat, von den physikalischen Gesetzen bestimmt würde. Man müßte nicht sagen, daß Gott das Universum auf irgendeine willkürliche Weise in Gang gesetzt hat, die wir nicht verstehen können. Über die Frage, ob Gott existiert oder nicht, ist damit überhaupt nichts gesagt, nur daß er nicht willkürlich ist.

LAWLEY: Aber wenn die Möglichkeit besteht, daß Gott nicht existiert, wie erklären Sie sich dann all die Dinge, die es außerhalb der Wissenschaft gibt – Liebe, den Glauben, den die Menschen in Sie gesetzt haben und weiterhin setzen, oder Ihre eigene Inspiration?

HAWKING: Liebe, Glaube und Moral gehören einer anderen Kategorie an als die Physik. Aus den physikalischen Gesetzen können Sie nicht ableiten, wie wir uns verhalten sollen. Es wäre allerdings zu wünschen, daß das logische Denken, das wir aus der Physik und Mathematik lernen können, uns auch in unserem moralischen Verhalten bestimmt.

LAWLEY: Aber ich glaube, daß viele Menschen der Meinung sind, Sie hätten Gott praktisch überflüssig gemacht. Leugnen Sie das?

HAWKING: Meine Arbeit hat lediglich gezeigt, daß man nicht behaupten muß, das Universum habe als eine persönliche Laune Gottes begonnen. Trotzdem bleibt die Frage: Warum macht sich das Universum die Mühe zu existieren? Wenn Sie wollen, können Sie Gott als die Antwort auf diese Frage definieren.

LAWLEY: Hören wir Platte Nummer sieben.

HAWKING: Ich bin ein glühender Verehrer der Oper. Eigentlich wollte ich alle acht Platten aus dem Bereich der Oper wählen, von Gluck und Mozart über Wagner bis hin zu Verdi und Puc-cini. Am Ende habe ich mich auf zwei beschränkt. Eine mußte Wagner sein, bei der anderen habe ich mich schließlich für Puc-cini entschieden. ist bei weitem seine schönste Oper, aber auch sie ist leider unvollendet, weil der Komponist vorher starb. Der Ausschnitt, für den ich mich entschieden habe, ist Turandots Bericht über eine Prinzessin im alten China, die von Mongolen vergewaltigt und verschleppt wurde. Aus Rache stellt Turandot den Freiern, die um ihre Hand anhalten, drei Fragen.

Wenn sie die nicht beantworten können, werden sie hingerichtet. (MUSIK.)

LAWLEY: Was bedeutet Weihnachten für Sie?

HAWKING: Es ist eine Zeit, um mit der Familie beisammen zu sein und für das vergangene Jahr zu danken. Es ist auch eine Zeit, sich auf das kommende Jahr vorzubereiten, das durch die Geburt des Kindes im Stall symbolisiert wird.

LAWLEY: Und um es materialistisch zu betrachten: Was haben Sie sich gewünscht ? Oder sind Sie heute so reich, daß Sie schon alles haben?

HAWKING: Ich liebe Überraschungen. Wenn man bestimmte Wünsche äußert, beschneidet man die Freiheit des Schenkenden und nimmt ihm die Möglichkeit, sich seiner Phantasie zu bedienen. Doch ich gebe gern zu, daß ich auf Schokoladentrüffel ver-sessen bin.

LAWLEY: Bisher haben Sie dreißig Jahre länger gelebt, als die Ärzte Ihnen zugebilligt haben, Stephen. Sie haben Kinder ge-zeugt, was angeblich nicht möglich war, Sie haben einen Bestseller geschrieben, Sie haben uralte Vorstellungen über Raum und Zeit auf den Kopf gestellt. Was möchten Sie noch tun, bevor Sie diesen Planeten verlassen?

HAWKING: All das war nur möglich, weil ich das Glück hatte, viel Hilfe zu bekommen. Ich freue mich, daß ich soviel habe erreichen dürfen, aber es gibt noch viele Dinge, die ich gern tun würde, bevor ich gehen muß. Ich möchte nicht von meinem Privatleben reden, aber als Wissenschaftler würde ich gern wissen, wie sich die Gravitation mit der Quantenmechanik und den anderen Naturkräften vereinigen läßt. Vor allem möchte ich wissen, was mit einem Schwarzen Loch geschieht, wenn es sich auflöst.

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