S t e p h e n W. H a w k i n g. E i n s t e i n s T r a u m

Ich bewarb mich um ein Forschungsstipendium am Gonville and Caius (Kies ausgesprochen) College in Cambridge. Damals hoffte ich, Jane würde meine Bewerbung tippen, aber als sie nach Cambridge kam, um mich zu besuchen, trug sie ihren Arm in Gips: Er war gebrochen. Ich gestehe, ich bin ihr gegenüber weniger mitfühlend gewesen, als ich es hätte sein sollen. Immerhin war es der linke Arm, so konnte sie die Bewerbung nach meinem Diktat mit der Hand schreiben, und ich fand jemanden, der sie tippte.

In meiner Bewerbung mußte ich die Namen zweier Personen angeben, die meine Arbeit empfehlen würden. Mein Doktorvater schlug mir vor, Hermann Bondi darum zu bitten. Bondi war damals Mathematikprofessor am King’s College in London und ein Experte auf dem Gebiet der allgemeinen Relativitätstheorie.

Ich war ihm ein paarmal begegnet, und er hatte eine Arbeit von mir zur Veröffentlichung in der Zeitschrift Proceedings of the Royal Society eingereicht. Nach einem Vortrag, den er in Cambridge hielt, bat ich ihn um diesen Gefallen. Er sah mich etwas geistesabwesend an und erklärte sich einverstanden. Offenbar erinnerte er sich aber nicht an mich, denn als ihn das College anschrieb und ihn um die Referenzen bat, erwiderte er, er habe noch nie von mir gehört. Heute, da sich so viele um Forschungs-stipendien bemühen, könnte ein Kandidat alle Hoffnungen be-graben, wenn einer der von ihm genannten Gewährsleute erklä-

ren würde, der Bewerber sei ihm unbekannt. Doch damals waren die Zeiten noch etwas ruhiger. Das College informierte mich in einem Schreiben über die peinliche Situation, und mein Doktorvater frischte Bondis Gedächtnis auf. Daraufhin schrieb Bondi mir eine Empfehlung, die wahrscheinlich viel besser ausfiel, als ich es verdiente. Zu meiner großen Überraschung bekam ich das Stipendium und gehöre seither dem Caius College an.

Das Stipendium bedeutete, daß Jane und ich heiraten konnten, was wir im Juli 1965 taten. Die Hochzeitsreise war ein einwöchiger Aufenthalt in Suffolk – mehr konnten wir uns nicht leisten.

Dann begaben wir uns zu einem Sommerkurs in allgemeiner Relativitätstheorie an die Cornell University im Norden des Staates New York. Das war ein Fehler. Wir lebten in einem Wohnheim, das voller Paare mit lauten Kleinkindern war – eine echte Belastungsprobe für unsere junge Ehe. Trotzdem war der Kurs in anderer Hinsicht sehr wertvoll für mich, denn ich lernte viele der wichtigen Leute kennen, die auf diesem Gebiet arbeiten.

Bis 1970 arbeitete ich auf dem Gebiet der Kosmologie, der Erforschung des Universums im großräumigen Maßstab. Meine wichtigsten Forschungen dieser Zeit galten Singularitäten. Die Beobachtung ferner Galaxien zeigt, daß sie sich von uns entfer-nen: Das Universum expandiert. Daraus folgt, daß die Galaxien

in der Vergangenheit näher zusammengewesen sein müssen.

Das führt zu der Frage: Gab es einen Zeitpunkt, an dem alle Galaxien aufeinandersaßen und das Universum von unendlicher Dichte war? Oder gab es vorher eine Kontraktionsphase, in der die Galaxien nicht zusammenprallten? Vielleicht sind sie aneinander vorbeigeflogen und haben sich danach wieder voneinander entfernt. Um diese Frage zu beantworten, waren neue mathematische Verfahren erforderlich. Diese sind zwischen 1965 und 1970 vor allem von Roger Penrose und mir entwickelt worden.

Penrose, der heute in Oxford arbeitet, war damals am Birkbeck College in London. Mit Hilfe dieser Verfahren zeigten wir, daß es, wenn die allgemeine Relativitätstheorie richtig ist, in der Vergangenheit einen Zustand von unendlicher Dichte gegeben haben muß.

Diesen Zustand unendlicher Dichte nennen wir Urknallsingularität. Sie würde implizieren, daß die Wissenschaft keine Aussage darüber machen kann, wie das Universum begonnen hat, wenn die allgemeine Relativitätstheorie stimmt. Nun geht aber aus meinen jüngeren Arbeiten hervor, daß sich doch bestimmen läßt, wie das Universum begonnen hat, wenn man die Theorie der Quantenphysik, die Theorie des sehr Kleinen, berücksichtigt.

Ferner sagt die allgemeine Relativitätstheorie vorher, daß massereiche Sterne in sich zusammenstürzen, wenn sie ihren Kernbrennstoff erschöpft haben. Penrose und ich haben gezeigt, daß sie ihren Kollaps fortsetzen würden, bis sie die Form einer Singularität von unendlicher Dichte angenommen hätten. Zumindest für den Stern und alles, was sich auf ihm befindet, wäre diese Singularität ein Ende der Zeit. Das Gravitationsfeld der Singularität wäre so stark, daß das Licht nicht aus der Region in ihrer Umgebung entweichen könnte, sondern in das Gravitationsfeld zurückgezogen würde. Die Region, aus der kein Entkommen möglich ist, bezeichnen wir als Schwarzes Loch, seine

Grenze als Ereignishorizont. Alles, was durch den Ereignishorizont in das Schwarze Loch fiele, geriete in der Singularität an ein Ende der Zeit.

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