bis vier Uhr frei und könne Miss Marple in London in ihrem
Club treffen.
Lucy Eyelesbarrow führte ihren Gast in eins der ziemlich
düsteren Schreibzimmer und sagte: «Ich fürchte, ich bin im
Augenblick sehr besetzt, aber vielleicht erzählen Sie mir erst
mal, was ich tun soll?»
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«Die Sache ist sehr einfach», entgegnete Miss Marple.
«Ungewöhnlich, aber einfach. Ich möchte, daß Sie eine
Leiche finden.»
Im ersten Augenblick kam Lucy der Verdacht, Miss
Marple sei geistig aus den Fugen geraten. Aber sie verwarf
diesen Gedanken sofort wieder. Miss Marple war unbedingt
bei vollem Verstand. Sie meinte genau, was sie gesagt hatte.
«Was für eine Leiche?» fragte Lucy Eyelesbarrow mit
bewundernswertem Gleichmut.
«Eine Frauenleiche», antwortete Miss Marple. «Die
Leiche einer Frau, die in einem Zug ermordet – genauer
gesagt: erdrosselt wurde.»
Lucys Augenbrauen stiegen ein wenig in die Höhe.
«Ich muß schon sagen, das ist wirklich etwas
Ungewöhnliches. Erzählen Sie!»
Miss Marple erzählte. Lucy Eyelesbarrow lauschte aufmerksam,
ohne sie zu unterbrechen. Als Miss Marple geendet
hatte, meinte sie:
«Elsbeth McGillicuddy ist nicht die Frau, die sich leicht
etwas einbildet. Deshalb verlasse ich mich unbedingt auf
das, was sie gesagt hat.»
«Ich verstehe», sagte Lucy nachdenklich. «Setzen wir
also voraus, daß alles so war, wie sie es erzählt hat. Und was
kann ich dabei tun?»
«Sie haben auf mich sehr großen Eindruck gemacht>,
erwiderte Miss Marple. «Und ich selbst, um die Wahrheit zu
gestehen, besitze heute nicht mehr die nötigen Kräfte, um
herumzulaufen und alles selber zu tun.»
«Sie möchten also, daß ich Erkundigungen einziehe? Ich
soll Nachforschungen anstellen? Meinen Sie das? Aber hat
das die Polizei nicht längst getan? Oder glauben Sie, daß sie
nachlässig gearbeitet hat?»
«O nein», erwiderte Miss Marple. «Durchaus nicht. Sie
hat nicht nachlässig gearbeitet. Aber ich habe mir nun
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einmal eine Theorie über den Verbleib der ermordeten Frau
zurechtgelegt. Irgendwo muß die Leiche doch sein. Wenn
sie nicht im Zug gefunden wurde, dann muß sie aus dem
Zug gestoßen oder geworfen worden sein. Und doch hat man
sie nirgends auf der Strecke gefunden. Daher habe ich mich
in den Zug gesetzt und nach einer Stelle gesucht, an der die
Leiche hätte aus dem Zug geworfen werden können, ohne
daß sie auf der Strecke gefunden worden wäre – und ich fand
tatsächlich eine solche Stelle. Die Bahnlinie beschreibt kurz
vor Brackhampton eine große Kurve, und zwar am Rande
eines hohen Bahndamms. Wurde die Leiche dort aus dem
Zug geworfen, der in diesem Augenbuch etwas schief lag,
dann halte ich es für höchst wahrscheinlich, daß sie den
Damm hinunterstürzte.»
«Aber sicherlich wäre sie auch dort gefunden worden?»
«Gewiß. Deshalb muß sie entfernt worden sein… Aber
darauf komme ich gleich. Hier ist die Stelle. Sehen Sie sich
diese Karte mal an.» – Lucy beugte sich vor und blickte auf
den Punkt, auf den Miss Marples Finger deutete.
«Die Stelle liegt jetzt in den Außenbezirken von Brackhampton
», fuhr Miss Marple fort. «Ursprünglich aber war
dort ein Landsitz mit einem weitläufigen Park, Feldern und
dergleichen. Er befindet sich auch jetzt noch dort, ist aber
umringt von Baugelände und kleinen Vorstadthäusern. Rutherford
Hall – so heißt der Landsitz – wurde von einem sehr
reichen Fabrikanten namens Crackenthorpe im Jahre 1884
gebaut. Der Sohn dieses Crackenthorpe, ein älterer Herr, lebt
dort, soviel ich weiß, mit einer Tochter.»
«Und was soll ich tun? Was erwarten Sie von mir?»
Miss Marple erwiderte sofort: «Ich möchte, daß Sie dort
in Stellung gehen. Jeder reißt sich heutzutage um eine
tüchtige Wirtschafterin. Ich kann mir nicht denken, daß es
für Sie schwierig wäre, in Rutherford Hall eine Stelle zu
finden.»
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«Schwierig wäre es wohl kaum.>
«Wie ich höre, ist Mr. Crackenthorpe allgemein als Geizkragen
bekannt. Wenn Sie sich dort mit einem niedrigen
Lohn einverstanden erklären, werde ich diesen so ergänzen,
daß Sie mit einem besseren Entgelt rechnen können als gewöhnlich.
»
«Wegen der Schwierigkeit des Auftrags?»
«Weniger wegen der Schwierigkeit als wegen der Gefahr.
Ich kann nicht verhehlen, daß dieser Auftrag eine gewisse
Gefahr einschließt. Es ist nur recht und billig, wenn ich Sie
darauf aufmerksam mache.»
«Ich glaube nicht», meinte Lucy nachdenklich, «daß der
Gedanke an eine Gefahr mich abschrecken könnte.>
«Das hatte ich auch nicht erwartet», lächelte Miss
Marple.
«Sie glaubten wohl eher, der Gedanke an eine Gefahr