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Padington by Agatha Christie

doch unmöglich Spaß machen.»

«Vielleicht nicht gerade jede Arbeit, aber das Kochen

entspricht meinen kreativen Ambitionen, und ich habe in mir

einen Trieb, aufzuräumen, dessen Befriedigung mir wirklich

Freude bereitet.»

«Bei mir herrscht ständig Unordnung», sagte Cedric.

«Und ich habe das gern», fügte er herausfordernd hinzu.

«Ja, das sieht man Ihnen an. »

«In meinem Häuschen auf Ibiza ist alles ganz einfach:

drei Teller, zwei Tassen mit Untertassen, ein Bett, ein Tisch

und zwei Stühle. Überall lie gt Staub, und überall finden sich

Farbflecken und Steinbrocken – ich bildhauere ebenso gern,

wie ich male -, und niemand darf etwas anrühren. Ich will

keine Frau im Hause haben.»

«In keiner Eigenschaft?»

«Was meinen Sie damit?»

«Ich nahm an, ein Künstler führe zumindest irgendeine

Art von Liebesleben.»

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«Mein Liebesleben, wie Sie es nennen, ist eine andere

Sache», erwiderte Cedric mit Würde. «Was ich nicht haben

will, ist eine Frau in ihrer aufräumenden, in alles die Nase

steckenden, tyrannisierenden Eigenschaft.»

«Oh, wie gern würde ich Ihr Häuschen einmal in meine

Obhut nehmen», sagte Lucy lachend. «Das wäre wirklich

eine Abwechslung.»

«Diese Gelegenheit werden Sie nie haben.»

Lucy wechselte das Thema.

«Warum hat man hier eigentlich alles so verfallen lassen?

Es kann doch nicht nur der Krieg daran schuld sein?»

«Sie hätten wohl Lust, hier aufzuräumen? Wie unternehmungslustig

Sie doch sind! Jetzt begreife ich auch, warum

ausgerechnet Sie eine Leiche entdecken mußten. Sie konnten

nicht einmal einen alten Sarkophag in Ruhe lassen.»

Nach einer kurzen Pause fuhr er fort:

«Nein, es ist nicht nur der Krieg. Es ist mein Vater. Was

halten Sie übrigens von ihm?»

«Ich habe noch nicht viel Zeit gehabt, darüber

nachzudenken.»

«Weichen Sie nicht aus! Er ist ein Teufel – und meiner

Meinung nach auch etwas verrückt. Natürlich haßt er uns

alle – vielleicht mit Ausnahme von Emma -, und das nur

wegen des Testaments meines Großvaters.»

Lucy blickte ihn fragend an.

«Mein Großvater war ein richtiger Geschäftemacher.

Eines Tages entdeckte mein Vater, daß er für dergleichen zu

gut sei. Er bereiste Italien, den Balkan und Griechenland und

pfuschte dabei in der Kunst herum. Da schnappte mein

Großvater ein. Er stellte fest, sein Sohn sei kein Geschäftsmann

und verstehe auch herzlich wenig von Kunst (in

beiden Fällen hatte er recht), und hinterließ daher sein Geld

den Enkelkindern. Er übergab es einer Treuhandgesellschaft.

Vater sollte auf Lebenszeit die Zinsen bekommen, aber an

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das Kapital kam er nicht heran. Wissen Sie, was er da tat! Er

hörte auf, Geld auszugeben. Er zog hierher und fing an zu

sparen. Meiner Meinung nach muß er mittlerweile ein

beinahe ebenso großes Vermögen angehäuft haben, wie

mein Großvater hinterlassen hat. Inzwischen haben wir alle,

Harold, ich selbst, Alfred und Emma, nicht einen Penny von

Großvaters Geld bekommen. Ich bin ein abgebrannter Maler.

Harold wurde Geschäftsmann und spielt jetzt in der City

eine Rolle. Er ist der einzige, der Talent fürs Geldmachen

hat; allerdings habe ich kürzlich allerlei Gerede gehört,

wonach er nicht mehr so fest im Sattel sitzt. Alfred

schließlich – ist das schwarze Schaf der Familie -»

«Wieso?»

«Er ist zwar noch nie im Gefängnis gewesen, aber er war

manchmal nahe daran. Während des Krieges war er im

Ministerium für Truppenversorgung, schied aber plötzlich

unter etwas undurchsichtigen Umständen aus. Dann machte

er dunkle Geschäfte mit Fruchtkonserven, und es gab einen

Skandal wegen einer Eiergeschichte.»

«Ist es nicht etwas unklug, einer Fremden das alles zu

erzählen?»

«Warum? Spionieren Sie für die Polizei?»

«Ich könnte es tun.»

«Das glaube ich nicht. Sie haben hier schon geschuftet,

als die Polizei sich noch gar nicht für uns interessierte. Ich

sollte meinen -»

Er brach ab, da er seine Schwester Emma kommen sah.

«Hallo, Ein! Macht dir etwas Sorgen?»

«Ja. Ich möchte mit dir sprechen, Cedric.»

«Ich muß jetzt ins Haus zurück», erklärte Lucy taktvoll.

«Bleiben Sie!» sagte Cedric. «Durch die Mordgeschichte

sind Sie zu einem Mitglied der Familie geworden.»

«Ich habe eine Menge zu tun», sagte Lucy.

Sie zog sich schnell zurück.

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Cedrics Augen folgten ihr.

«Sie sieht gut aus», sagte er. «Wer ist sie eigentlich?»

«Oh, sie ist sehr bekannt>, antwortete Emma. «Sie hat

aus dieser Art von Beschäftigung eine Spezialität gemacht.

Aber lassen wir Lucy Eyelesbarrow! Ich bin sehr beunruhigt,

Cedric. Anscheinend vermutet die Polizei, die tote Frau sei

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