übertrug sich auf sein eigenes Eheleben. Sie werden schon
bemerkt haben, daß er gegen seine eigenen Söhne eine
heftige Abneigung fühlt. Seine Töchter hatte er gern, sowohl
Emma wie auch Edie, die gestorben ist.»
«Warum verabscheut er seine Söhne so sehr?>
«Danach müssen Sie einen dieser Psychologen fragen,
die neuerdings Mode geworden sind. Ich vermute, daß
Luther unter gewissen Minderwertigkeitsgefühlen leidet, die
auf seiner finanziellen Situation beruhen. Er besitzt ein
Einkommen, kann aber in keiner Weise über das Kapital
verfügen. Hätte er die Möglichkeit, seine Söhne zu enterben,
würde er sie vermutlich nicht so hassen. Das Bewußtsein, in
dieser Hinsicht keine Macht zu besitzen, erzeugt bei ihm ein
gewisses Gefühl der Demütigung.»
«Darum ist er wohl so erfreut bei dem Gedanken, er
würde sie alle überleben?» meinte Inspektor Craddock.
«Das ist möglich. Es dürfte auch die Wurzel seines
Geizes sein. Ich denke, er hat von seinem ansehnlichen
Einkommen eine beträchtliche Summe beiseite gelegt.»
Inspektor Craddock kam ein neuer Gedanke.
«Vermutlich hat er seine Ersparnisse jemandem
vermacht. Das jedenfalls kann er doch.»
«ja, das kann er, aber Gott mag wissen, wem er das Geld
zukommen lassen will. Vielleicht Emma. Aber ich zweifle
daran. Vielleicht hat er die Ersparnisse seinem Enkel
Alexander vermacht.»
«Er hat ihn wohl gern?» fragte Craddock.
«Ich hatte immer den Eindruck. Er war ja auch das Kind
seiner Tochter, nicht eines Sohnes. Das mag einen Unterschied
gemacht haben. Er hatte auch eine gewisse
Zuneigung zu Bryan Eastley, Edies Gatten. Ich kenne Bryan
freilich nicht gut, denn ich habe seit Jahren niemanden von
der Familie mehr gesehen. Aber es fiel mir auf, daß er nach
202
Kriegsende lange arbeitslos war. Er besitzt die
Eigenschaften, die man in Kriegszeiten braucht: Mut,
Einsatzbereitschaft und die Neigung, die Zukunft für sich
sorgen zu lassen. Ich glaube nicht, daß er Stetigkeit besitzt.
Wahrscheinlich wird er es zu nichts Rechtem bringen,
sondern sich treiben lassen.»
«Soweit Sie wissen, finden sich in der jüngeren
Generation keinerlei Anzeichen einer geistigen Anomalie?»
«Cedric ist ein exzentrischer Typ. Einer von jenen Menschen,
die von Natur aus Rebellen sind. Ich möchte nicht
behaupten, daß er völlig normal ist, aber wer ist das
eigentlich? Harold ist kein sehr angenehmer Charakter, kalt,
auf seinen Vorteil bedacht. Aber anormal? Kaum. Alfred hat
etwas Abwegiges an sich. Er war schon immer so. Ich sah
ihn einmal Geld aus der Sammelbüchse eines Missionars
nehmen. So etwas bringt er fertig. Aber der arme Kerl ist ja
nun tot. Ich sollte nichts Schlechtes über ihn sagen.»
«Und wie ist es . . . » , Craddock zögerte, «mit Emma
Crackenthorpe?»
«Ein nettes, ruhiges Mädchen, aber man weiß nie, was sie
denkt. Sie hat ihre eigenen Gedanken und behält sie für sich.
Sie besitzt mehr Charakter, als man nach ihrem Auftreten
und ihrer allgemeinen Erscheinung glauben sollte.»
«Sie kannten wohl auch Edmund, den Sohn, der in Frankreich
fiel?»
«ja. Er war der Beste von allen. Ein netter Junge.»
«Haben Sie je etwas davon gehört, daß er, kurz bevor er
fiel, eine Französin heiratete oder hatte heiraten wollen?»
Dr. Morris krauste die Stirn.
«Mir ist so, als hätte ich etwas davon gehört. Aber es ist
zu lange her.»
«Es war zu Anfang des Krieges, nicht wahr?»
«Ja. Aber ich bin überzeugt, er hätte es bereut, wenn er es
getan hätte.»
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«Das ist schon möglich – nach dem, was wir jetzt
wissen», meinte Craddock.
Er berichtete ganz kurz über das, was in Rutherford Hall
geschehen war.
«Ich erinnere mich, daß ich in den Zeitungen von einer
toten Frau las, die in einem Sarkophag versteckt gewesen
war. Ich wußte aber nicht, daß sich das in Rutherford Hall
abspielte.»
«Es besteht Grund zu der Annahme, daß diese Tote Edmund
Crackenthorpes Witwe gewesen ist.»
«Das ist außerordentlich! Wer konnte ein Interesse daran
haben, die Arme zu töten? Ich meine, wie hängt das mit der
Arsenikvergiftung in der Familie Crackenthorpe zusammen?
»
«Vielleicht will jemand das ganze Vermögen, das Josiah
Crackenthorpe hinterlassen hat, an sich bringen.»
«Dann muß er ein verdammter Narr sein», sagte Dr. Morris.
«Er wird unsinnige Steuern zu zahlen haben.»
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«Was ist das?» fragte Mr. Crackenthorpe mißbilligend.
«Fleischbrühe und gebackener Eierrahm», erwiderte
Lucy.
«Nehmen Sie das weg!» sagte Mr. Crackenthorpe. «Das
Zeug rühre ich nicht an. Ich sagte zu der Krankenschwester,