Padington by Agatha Christie

Leiche in dem Sarkophag gefunden wurde, diese Martine

ist?»

«Als Sie sagten, es sei wahrscheinlich eine Ausländerin,

da wurde ich doch etwas unruhig. Wenn sie am Ende . . .»

Die Stimme versagte ihr.

«Sie haben recht getan, daß Sie zu mir kamen und es mir

erzählten. Wir werden Nachforschungen anstellen. Ich bin

überzeugt, die Frau, die Ihnen schrieb, kehrte wirklich nach

Frankreich zurück, lebt, und alles ist in Ordnung. Andererseits

machen die Daten einen etwas stutzig, wie Sie selber ja

bereits erkannt haben. Wie Sie bei der Leichenschau hörten,

muß, laut Befund des Polizeiarztes, der Tod der im

Sarkophag gefundenen Frau vor drei bis vier Wochen erfolgt

sein. Aber machen Sie sich keine Gedanken, Miss

Crackenthorpe. Überlassen Sie die Sache uns.» Er fügte

beiläufig hinzu: «Sie haben sich mit Mr. Harold besprochen;

nicht auch mit Ihrem Vater und Ihren andern Brüdern?»

«Natürlich mußte ich es meinem Vater erzählen. Er regte

sich fürchterlich auf.» Sie lächelte schwach. «Er war

überzeugt, es handle sich um einen aufgelegten Schwindel,

durch den man Geld aus uns herauspressen wolle. Wenn es

um Geld geht, regt mein Vater sich immer auf. Er glaubt –

oder tut so, als ob er es glaube -, daß er ein bettelarmer

Mann sei. In Wirklichkeit hat er ein sehr großes

Einkommen, und er gibt kaum ein Viertel davon aus. Sicher

hat er ansehnliche Ersparnisse beiseite gebracht.» Sie

überlegte einen Augenblick und fuhr dann fort: «Ich habe es

auch meinen beiden anderen Brüdern erzählt. Alfred schien

es als einen Scherz aufzufassen, aber er meinte, es sei so gut

wie sicher ein Betrugsmanöver. Cedric interessierte sich

nicht weiter für die Sache, er ist eigentlich nur an sich selber

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interessiert. Wir beschlossen, Martine zu empfangen, und

unser Rechtsberater, Mr. Wimborne, sollte gebeten werden,

bei dem Zusammentreffen dabeizusein.»

«Wie dachte Mr. Wimborne über das Ganze?»

«Wir wollten gerade mit ihm sprechen, als Martines

Telegramm eintraf.»

«Und Sie haben keine weiteren Schritte unternommen?»

«Doch. Ich schrieb an die Londoner Adresse und

vermerkte auf dem Umschlag: Aber ich

bekam keinerlei Antwort.»

«Eine merkwürdige Sache… Hm . . . »

Er blickte sie durchdringend an.

«Wie denken Sie selber darüber?»

«Ich weiß nicht, was ich davon halten soll.»

«Und wie nahmen Sie die Sache damals? Glaubten Sie,

der Brief sei echt? Oder waren Sie derselben Meinung wie

Ihr Vater und Ihre Brüder? Wie äußerte sich übrigens Ihr

Schwager? Was dachte er?»

«Bryan hielt den Brief für echt.»

«Und Sie selber?»

«Ich war meiner Sache nicht ganz sicher.»

«Und wie waren Ihre Gefühle? Angenommen nun, diese

Frau war wirklich die Witwe Ihres Bruders Edmund?»

Emmas Gesichtszüge entspannten sich.

«Ich habe sehr an Edmund gehangen. Er war mein

Lieblingsbruder. Mir schien, genau so einen Brief würde ein

Mädchen wie Martine unter den gegebenen Umständen

schreiben. Es klang alles ganz natürlich. Ich nahm an, bei

Kriegsende habe sie entweder wieder geheiratet oder sie lebe

mit einem Mann zusammen, der für sie und das Kind sorgte.

Dann war dieser Mann vielleicht gestorben, oder er hatte sie

verlassen. Da hielt sie es für richtig, sich an Edmunds

Familie zu wenden – wie er selber es gewünscht hatte. Mir

erschien der Brief echt und natürlich, aber Harold machte

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mich darauf aufmerksam, daß der Brief auch von einer Frau

stammen könnte, die Martine gut gekannt hatte und

infolgedessen imstande war, einen durchaus echt klingenden

Brief zu schreiben. Ich mußte ihm da recht geben… aber

trotz allem . . .»

Sie verstummte.

«Sie wünschten, daß er echt ist, nicht wahr?» fragte

Craddock freundlich.

Sie blickte ihn dankbar an.

«Ja. Ich hätte mich so gefreut, wenn Edmund einen Sohn

hinterlassen hätte.»

Craddock nickte.

«Wie Sie sagen, macht der Brief bei oberflächlicher

Betrachtung den Eindruck, als sei er echt. Überraschend aber

ist, was dann folgte: Martines plötzliche Rückkehr nach

Paris und die Tatsache, daß Sie seitdem nie mehr von ihr

hörten. Sie hatten ihr freundlich geantwortet und waren

bereit, sie willkommen zu heißen. Warum hat sie dann,

selbst wenn sie nach Frankreich zurückkehren mußte, nicht

mehr geschrieben? Das verblüfft, sobald man annimmt, daß

ihre Behauptung, Edmund habe sie geheiratet, stimmt. War

sie hingegen eine Betrügerin, dann ist ihr Verhalten natürlich

leichter zu erklären. Ich dachte, vielleicht hätten Sie Mr.

Wienborne um Rat gefragt, und er habe daraufhin

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