S t e p h e n W. H a w k i n g. E i n s t e i n s T r a u m

Diese Unabhängigkeit von der Geschwindigkeit des Systems wurde zuerst von Galilei festgestellt, der die Bewegungsgesetze für Objekte wie Kanonenkugeln oder Planeten entdeckte. Doch als man versuchte, diese Unabhängigkeit von der Geschwindigkeit des Beobachters auch den Bewegungsgesetzen des Lichtes zugrunde zu legen, stieß man auf ein Problem. Im 18. Jahrhundert hatte man entdeckt, daß Licht nicht sofort von der Quelle zum Beobachter gelangt, sondern sich mit einer bestimmten Geschwindigkeit fortbewegt, mit etwa 300000 Kilometern pro Sekunde. Doch wozu ist diese Geschwindigkeit relativ? Man glaubte, es müsse überall im Raum ein Medium geben, durch das sich das Licht fortbewegt. Man nannte es Äther und dachte, das Licht breite sich mit einer Geschwindigkeit von 299793 Kilometern pro Sekunde durch dieses Medium aus. Diese 299793 Kilometer pro Sekunde müßte, so meinte man, ein Beobachter messen, der sich relativ zum Äther im Ruhezustand befände. Ein Beobachter hingegen, der sich durch den Äther bewegte, würde eine höhere oder niedrigere Geschwindigkeit messen. Insbesondere müßte sich die Lichtgeschwindigkeit bei der Bewegung der Erde um die Sonne verändern, da sich die Erde durch den Äther bewege. Doch das bekannte Michelson-Morley-Experiment aus dem Jahr 1887 zeigte, daß die Lichtgeschwindigkeit stets gleich bleibt. Egal mit welcher Geschwindigkeit sich der Beobachter bewegt, er wird stets eine Lichtgeschwindigkeit von 299793 Kilometern pro Sekunde messen.

Wie kann das sein? Wie können Beobachter, die sich mit unterschiedlichen Geschwindigkeiten fortbewegen, alle die gleiche Lichtgeschwindigkeit messen? Die Antwort muß lauten, sie können es nicht, wenn unsere normalen Vorstellungen von Raum und Zeit richtig sind. Doch in einem berühmten Aufsatz aus dem Jahr 1905 hat Einstein darauf hingewiesen, daß alle Beobachter die gleiche Geschwindigkeit messen könnten, wenn man das Konzept einer universellen Zeit aufgäbe. Statt dessen

habe jeder seine individuelle Zeit, die er anhand einer mitgeführten Uhr messe. Die von diesen verschiedenen Uhren gemessenen Zeiten würden fast genau übereinstimmen, wenn sich die Beobachter im Verhältnis zueinander langsam fortbewegten.

Hingegen würden sich die von verschiedenen Uhren gemessenen Zeiten erheblich unterscheiden, wenn die Uhren sich mit hohen Geschwindigkeiten bewegten. Diesen Effekt hat man tatsächlich beobachtet, indem man eine Uhr am Erdboden mit einer Uhr in einem Verkehrsflugzeug verglich. Die Uhr im Verkehrsflugzeug läuft etwas langsamer als die stationäre Uhr. Doch bei normalen Reisegeschwindigkeiten sind die Unterschiede zwischen dem Gang der Uhren sehr gering. Vierhundertmillionen-mal müßten Sie um die Erde fliegen, um Ihrer Lebensdauer eine einzige Sekunde hinzuzufügen; allerdings würde Ihr Leben durch die vielen Flugzeugmahlzeiten um mehr als diese Spanne verkürzt.

Menschen haben also ihre individuelle Zeit, aber wieso be-wirkt dieser Umstand, daß sie, wenn sie sich mit verschiedenen Geschwindigkeiten fortbewegen, die gleiche Lichtgeschwindigkeit messen? Die Geschwindigkeit eines Lichtpulses ist die Distanz, die er zwischen zwei Ereignissen zurücklegt, geteilt durch das Zeitintervall zwischen den Ereignissen. (Ein Ereignis in diesem Sinne ist etwas, das an einem einzigen Punkt im Raum und an einem bestimmten Punkt in der Zeit stattfindet.) Menschen, die sich mit unterschiedlichen Geschwindigkeiten bewegen, werden keine Einigung über die Entfernung zwischen zwei Ereignissen erzielen. Wenn ich beispielsweise messe, welche Strecke ein Auto zurückgelegt hat, das die Autobahn entlangfährt, würde ich meinen, es sei nur ein Kilometer, aber für einen Beobachter auf der Sonne hätte das Fahrzeug ungefähr 1800 Kilometer zurückgelegt, weil sich auch die Erde bewegt hätte, während das Auto die Straße entlangfuhr. Da Menschen, die sich mit unterschiedlichen Geschwindigkeiten fortbewegen, zwischen

Ereignissen je andere Entfernungen messen, müssen sie auch verschiedene Zeitintervalle messen, sofern sie sich über die Lichtgeschwindigkeit einig sind.

Die ursprüngliche Relativitätstheorie, die Einstein der Öffentlichkeit 1905 in seinem berühmten Aufsatz vorstellte, nennen wir heute die spezielle Relativitätstheorie. Sie beschreibt, wie sich Objekte durch Raum und Zeit bewegen. Danach ist die Zeit keine universelle Größe, die für sich, unabhängig vom Raum, existiert. Vielmehr sind Zukunft und Vergangenheit nur Richtungen in der sogenannten Raumzeit – Richtungen wie oben und unten, links und rechts, vorwärts und rückwärts. In der Zeit kommt man nur in Richtung der Zukunft voran, kann sich aber doch in einem gewissen Winkel zu ihr bewegen. Deshalb ist es möglich, daß die Zeit verschieden rasch verstreicht.

Die spezielle Relativitätstheorie vereinigte Zeit und Raum.

Doch noch immer waren beide ein statischer Hintergrund, vor dem die Ereignisse stattfanden. Man konnte sich auf verschiedenen Bahnen durch die Raumzeit bewegen, aber man vermochte durch nichts, was man tat, den Hintergrund von Raum und Zeit zu modifizieren. Indes, all dies veränderte sich grundlegend, als Einstein im Jahre 1915 die allgemeine Relativitätstheorie formu-lierte. Ausgangspunkt war die revolutionäre Idee, daß die Gravitation nicht nur eine Kraft ist, die vor dem statischen Hintergrund der Raumzeit wirkt. Vielmehr ist die Gravitation, so Einstein, eine Verwerfung der Raumzeit, hervorgerufen durch die in ihr enthaltene Materie und Energie. Objekte wie Kanonenkugeln und Planeten versuchen sich in gerader Linie durch die Raumzeit zu bewegen. Aber da die Raumzeit gekrümmt, ver-worfen, und nicht flach ist, scheinen ihre Bahnen gekrümmt zu sein. Die Erde versucht, sich in gerader Linie durch die Raumzeit zu bewegen. Doch die durch die Masse der Sonne hervorgeru-fene Krümmung der Raumzeit veranlaßt die Erde, die Sonne zu umkreisen. Genauso ist das Licht bestrebt, sich in gerader Linie

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