S t e p h e n W. H a w k i n g. E i n s t e i n s T r a u m

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Veröffentlicht in der Zeitschrift Scientific American, Januar 1977.

gegen blieb weithin unbeachtet, weil sie mathematisch zu kompliziert erschien und eine rein klassische Theorie war, die sich anscheinend nicht mit der Quantenmechanik vereinbaren ließ.

So blieb die allgemeine Relativitätstheorie fast fünfzig Jahre lang auf dem Abstellgleis.

Die enorme Ausweitung der astronomischen Beobachtungen, die Anfang der sechziger Jahre einsetzte, erweckte das Interesse an der klassischen Theorie der allgemeinen Relativität zu neuem Leben, weil es den Anschein hatte, daß viele der Erscheinungen, die nun entdeckt wurden – etwa Quasare, Pulsare und kompakte Röntgenquellen -, auf das Vorhandensein sehr starker Gravitationsfelder hindeuten, Felder, die sich nur mit Hilfe der allgemeinen Relativitätstheorie erklären ließen. Quasare sind Stern-artige Objekte, die um ein Vielfaches heller sein müssen als ganze Galaxien, wenn sie sich tatsächlich in der Entfernung von uns befinden, auf die die Rotverschiebung ihres Spektrums schließen läßt. Pulsare sind die rasch pulsierenden Relikte der Explosionen von Supernovae; man hält sie für extrem dichte Neutronensterne. Auch bei den kompakten Röntgenquellen, die man mit Hilfe von Instrumenten an Bord von Raumfahrzeugen entdeckt hat, könnte es sich um Neutronensterne handeln; es könnten aber auch hypothetische Objekte von noch größerer Dichte sein: Schwarze Löcher.

Die Physiker, die versuchten, die allgemeine Relativität auf diese neu entdeckten oder hypothetischen Objekte anzuwenden, standen unter anderem vor dem Problem, diese Theorie mit der Quantenmechanik zu vereinbaren. In den letzten Jahren sind Ansätze entwickelt worden, die uns zu der Hoffnung berechti-gen, daß wir in nicht allzu ferner Zeit über eine völlig schlüssige Quantentheorie der Gravitation verfügen werden – eine Theorie, die sich hinsichtlich der makroskopischen Objekte mit der allgemeinen Relativitätstheorie decken wird und die, wie man hofft, frei sein wird von den mathematischen Unendlichkeiten,

die lange Zeit ihr Unwesen in anderen Quantenfeldtheorien ge-trieben haben. Diese Ansätze stehen in Zusammenhang mit bestimmten kürzlich entdeckten Quanteneffekten, die mit Schwarzen Löchern zu tun haben und eine bemerkenswerte Verbindung zwischen diesen und den Gesetzen der Thermodynamik herstellen.

Ich möchte kurz beschreiben, wie ein Schwarzes Loch entstehen könnte. Stellen wir uns einen Stern vor, dessen Masse zehnmal so groß ist wie die der Sonne. Während des größten Teils seiner Lebensdauer von ungefähr einer Milliarde Jahren entsteht in seinem Mittelpunkt Wärme durch die Umwandlung von Wasserstoff in Helium. Die freigesetzte Energie wird ge-nügend Druck erzeugen, um den Stern vor der eigenen Gravitation zu schützen, so daß er ein Objekt mit einem Radius darstellt, der etwa fünfmal so groß ist wie der der Sonne. Die Fluchtgeschwindigkeit an der Oberfläche eines solchen Sterns würde bei ungefähr tausend Kilometern in der Sekunde liegen.

Mit anderen Worten: Ein Objekt, das man von der Oberfläche des Sterns mit einer Geschwindigkeit von weniger als tausend Kilometern pro Sekunde senkrecht nach oben abschösse, würde von dem Gravitationsfeld des Sterns zurückgezogen werden und wieder auf die Oberfläche fallen. Ein Objekt mit einer höheren Geschwindigkeit würde dagegen ins Unendliche entweichen.

Wenn der Stern seinen Kernbrennstoff verbraucht hätte, gäbe es nichts, was dem Druck von außen widerstehen könnte, so daß er anfinge, infolge der eigenen Schwerkraft in sich zu-sammenzustürzen. Im Zuge dieses Schrumpfungsprozesses würde das Gravitationsfeld an der Oberfläche immer stärker werden, so daß eine immer größere Fluchtgeschwindigkeit nö-

tig wäre, um ihm zu entkommen. In dem Moment, da der Radius nur noch dreißig Kilometer betrüge, wäre die Fluchtgeschwindigkeit auf 300000 Kilometer pro Sekunde angewach-

sen. Von diesem Zeitpunkt an wäre das vom Stern emittierte Licht nicht mehr in der Lage, ins Unendliche zu entweichen, sondern würde vom Gravitationsfeld zurückgehalten werden. Nach der speziellen Relativitätstheorie kann sich nichts schneller fortbewegen als das Licht, woraus folgt, daß nichts entkommen kann, wenn es das Licht nicht vermag.

Das Resultat wäre ein Schwarzes Loch: eine Region der Raumzeit, in der es keine Möglichkeit gibt, ins Unendliche zu entweichen. Die Grenze des Schwarzen Loches wird Ereignishorizont genannt. Er entspricht einer Wellenfront des Sternen-lichts, das gerade noch daran gehindert wird, ins Unendliche zu entkommen, und das statt dessen seinen Ursprung schwe-bend umgibt, und zwar im Abstand des Schwarzschild-Radius: 2 GM/c2, wobei G die Newtonsche Gravitationskonstante, M die Masse des Sterns und c die Lichtgeschwindigkeit ist. Für einen Stern von ungefähr zehn Sonnenmassen beträgt der Schwarzschild-Radius etwa dreißig Kilometer.

Die vorliegenden Beobachtungsdaten lassen mit einiger Wahrscheinlichkeit darauf schließen, daß Schwarze Löcher von ungefähr dieser Größe in manchen Doppelsternsystemen existieren, etwa in der Röntgenquelle, die unter dem Namen Cygnus X-I bekannt ist. Außerdem könnte eine große Zahl kleinerer Schwarzer Löcher über das ganze Universum verstreut sein, die nicht durch Sternenkollaps entstanden sind, sondern durch den Zusammensturz hochkomprimierter Regionen in dem hei-

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