S t e p h e n W. H a w k i n g. E i n s t e i n s T r a u m

Bekenstein hat vorgeschlagen, daß man den Logarithmus dieser Anzahl als die Entropie des Schwarzen Loches interpretieren könnte. Der Logarithmus der Anzahl wäre ein Maß für die Information, die bei der Entstehung des Schwarzen Loches während des Zusammensturzes durch den Ereignishorizont unwie-derbringlich verlorengegangen wäre.

Das Problem in Bekensteins Argumentation war, daß ein Schwarzes Loch, besäße es eine endliche Entropie proportional zur Fläche seines Ereignishorizonts, auch eine endliche Temperatur haben müßte. Daraus würde folgen, daß sich ein Schwarzes Loch bei irgendeiner Temperatur ungleich Null mit der thermischen Strahlung im Gleichgewicht befinden könnte. Doch nach klassischen Begriffen ist kein solches Gleichgewicht möglich, da das Schwarze Loch jegliche einfallende Wärmestrahlung

absorbieren würde, ohne jedoch definitionsgemäß in der Lage zu sein, im Gegenzug irgend etwas zu emittieren.

Dieses Paradox blieb bis Anfang 1974 ungelöst, als ich unter-suchte, wie sich Materie in der Nachbarschaft eines Schwarzen Loches nach den Gesetzen der Quantenmechanik verhalten würde. Zu meiner großen Überraschung stellte ich fest, daß das Schwarze Loch einen stetigen Teilchenstrom zu emittieren scheint. Wie alle Welt war ich damals davon überzeugt, daß ein Schwarzes Loch nichts emittieren könne. Deshalb unternahm ich große Anstrengungen, den verwirrenden Effekt, auf den ich gestoßen war, zu widerlegen. Doch alle Versuche schlugen fehl, so daß ich ihn schließlich akzeptieren mußte. Die endgültige Überzeugung, daß es sich um einen realen physikalischen Vorgang handelt, brachte die Erkenntnis, daß die austretenden Teilchen ein Spektrum von exakt thermischer Natur aufweisen: Das Schwarze Loch erschafft und emittiert genau die Teilchen und die Strahlung, die ein normaler heißer Körper mit einer Temperatur produzieren würde, welche sich proportional zur Oberflä-

chenschwere und umgekehrt proportional zur Masse verhielte.

Dadurch wurde Bekensteins Hypothese, daß ein Schwarzes Loch über eine endliche Entropie verfügt, vollkommen schlüssig, war doch jetzt ersichtlich, daß sich ein Schwarzes Loch bei einer endlichen Temperatur ungleich Null in einem thermischen Gleichgewicht befinden könnte.

Inzwischen ist die mathematische Evidenz dafür, daß Schwarze Löcher thermisch emittieren können, durch einige andere Forscher mittels verschiedenster Verfahren bestätigt worden. Ich will eine Möglichkeit beschreiben, wie sich die Emission verstehen läßt. Die Quantenmechanik besagt, daß die Gesamtheit des Raums mit Paaren «virtueller» Teilchen und Antiteilchen erfüllt ist, die sich ständig paarweise materialisie-ren, sich trennen und dann wieder zusammenkommen, um sich gegenseitig zu vernichten. Diese Teilchen werden virtuell ge-

nannt, weil sie sich im Gegensatz zu «realen» Teilchen nicht mit Hilfe eines Teilchendetektors direkt beobachten lassen. Aber man kann ihre indirekten Effekte messen, und ihre Existenz wurde durch eine kleine Verschiebung (die «Lamb-Verschiebung») bestätigt, die sie im Lichtspektrum angeregter Wasser-stoffatome hervorrufen. In Gegenwart eines Schwarzen Loches kann nun ein Partner eines Paares virtueller Teilchen in das Loch fallen, so daß das andere Element ohne den Partner zurückbleibt, den es zur gegenseitigen Vernichtung braucht. Das im Stich ge-lassene Teilchen oder Antiteilchen kann seinem Partner ins Schwarze Loch folgen, aber es kann auch ins Unendliche entweichen, wo es den Eindruck von Strahlung hervorruft, die vom Schwarzen Loch emittiert worden ist.

Dieser Prozeß läßt sich aber auch so verstehen, daß der Partner des Teilchenpaars, der ins Schwarze Loch fällt – nehmen wir an, das Antiteilchen -, in Wirklichkeit ein Teilchen ist, das sich in der Zeit rückwärts bewegt. So läßt sich das in das Schwarze Loch fallende Antiteilchen als Teilchen ansehen, das aus dem Schwarzen Loch hervorkommt, sich jedoch in der Zeit zurückbe-wegt. Wenn das Teilchen den Punkt erreicht, an dem sich das Teilchen-Antiteilchen-Paar ursprünglich materialisiert hat, wird es vom Gravitationsfeld gestreut, so daß es sich nun vorwärts in der Zeit bewegt.

So ist es nach der Quantenmechanik einem Teilchen möglich, aus dem Innern eines Schwarzen Loches zu entweichen – etwas, was die klassische Mechanik nicht zuläßt. Es sind jedoch viele andere Situationen in der Atom- und Kernphysik bekannt, in denen es eine Art Barriere gibt, die nach klassischen Prinzipien für Teilchen undurchdringlich ist, die sie aber dank quantenmechanischer Prinzipien durchtunneln können.

Die Dicke der Barriere um ein Schwarzes Loch ist seiner Größe proportional. Das heißt, daß nur sehr wenige Teilchen aus einem Schwarzen Loch von der Größe entweichen können, die dem hy-

pothetischen Loch in Cygnus X-I zugeschrieben wird, daß aber Teilchen sehr rasch kleineren Schwarzen Löchern entfliehen können. Eingehende Berechnungen zeigen, daß die emittierten Teilchen ein thermisches Spektrum haben, das einer Temperatur entspricht, die rasch zunimmt, wenn die Masse des Schwarzen Loches abnimmt. Für ein Schwarzes Loch mit Sonnenmasse liegt die Temperatur nur ungefähr ein zehnmillionstel Grad über dem absoluten Nullpunkt. Die mit dieser Temperatur aus dem Schwarzen Loch austretende Strahlung würde von der allgemeinen Hintergrundstrahlung des Universums völlig überdeckt werden. Andererseits würde ein Schwarzes Loch mit einer Masse von nur einer Milliarde Tonnen, das heißt ein urzeitliches Schwarzes Loch von etwa der Größe eines Protons, eine Temperatur von ungefähr 120 Milliarden Kelvin aufweisen, was einer Energie von rund zehn Millionen Elektronenvolt entspricht. Bei dieser Temperatur wäre ein Schwarzes Loch in der Lage, Elektron-Positron-Paare und Teilchen mit der Masse Null zu erschaffen, zum Beispiel Photonen, Neutrinos und Gravitonen (die hypothetischen Träger der Gravitationsenergie). Ein urzeitliches Schwarzes Loch würde Energie in einer Größenordnung von 6000 Megawatt freisetzen, was dem Ausstoß von sechs gro-

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