S t e p h e n W. H a w k i n g. E i n s t e i n s T r a u m

könnten, wenn es anders wäre. Dem liegt der Gedanke zugrunde, daß es viele verschiedene Universen mit verschiedenen Dichten geben könnte. Nur diejenigen, die der kritischen Dichte sehr nahe kämen, könnten lange genug existieren und genug Materie enthalten, um die Bildung von Sternen und Planeten zu ermöglichen. Nur in diesem Universum würde es intelligente Wesen geben, die fragen könnten: Warum liegt die Dichte des Universums so nahe am kritischen Wert? Wenn dies die Erklärung der gegenwärtigen Dichte des Universums ist, gibt es keinen Grund zu der Annahme, das Universum enthalte mehr Materie, als wir bereits entdeckt haben. Ein Zehntel der kritischen Dichte wäre genug Materie für die Bildung von Galaxien und Sternen.

Doch vielen Menschen mißfällt das anthropische Prinzip, weil es unserer Existenz zuviel Bedeutung beizumessen scheint. Deshalb hat man versucht, auf andere Weise zu erklären, warum die Dichte so nahe am kritischen Wert liegt. Dieses Bemühen führte zur Theorie einer inflationären Expansion im frühen Universum. Dabei geht man davon aus, daß sich die Größe des Universums immer weiter verdoppelt hat, genauso wie sich die Preise in manchen Ländern mit extremer Inflationsrate alle paar Monate verdoppeln. Doch die Inflation des Universums ist nach diesem Modell noch sehr viel rascher verlaufen: Eine Zunahme um einen Faktor von mindestens einer Milliarde Milliarden Milliarden in einem winzigen Sekundenbruchteil hätte das Universum so nahe an die kritische Dichte gebracht, daß es auch heute noch nicht sehr weit von diesem Wert entfernt wäre. Wenn also das Inflationsmodell richtig ist, muß das Universum genügend dunkle Materie enthalten, um die Dichte auf den kritischen Wert zu bringen. Die Konsequenz wäre, daß das Universum schließ-

lich wieder in sich zusammenstürzen muß, ein Vorgang, der nicht viel länger auf sich warten ließe als fünfzehn Milliarden Jahre, jener Zeitraum also, in dem es bis jetzt expandiert.

Woraus könnte die zusätzliche dunkle Materie bestehen, die

es geben muß, wenn das Inflationsmodell richtig ist? Sie wird sich von der gewöhnlichen Materie unterscheiden, aus der Sterne und Planeten bestehen. Wir können die Mengen der verschiedenen leichten Elemente berechnen, die in den heißen Frühstadien des Universums, in den ersten drei Minuten nach dem Urknall, erzeugt worden sind. Die Mengen dieser leichten Elemente hängen von der Menge gewöhnlicher Materie im Universum ab. Man kann Diagramme zeichnen, in denen die Menge der leichten Elemente auf der senkrechten und die Menge der gewöhnlichen Materie auf der waagerechten Achse aufgetragen werden. Dabei erzielt man gute Übereinstimmung mit den beobachteten Häufigkeiten, wenn die Gesamtmenge der gewöhnlichen Materie heute bei nur einem Zehntel der kritischen Menge liegt. Allerdings könnten diese Berechnungen falsch sein, doch der Umstand, daß wir bei verschiedenen Elementen Übereinstimmung mit den beobachteten Häufigkeiten erzielt haben, ist schon recht beeindruckend.

Wenn es eine kritische Dichte der dunklen Materie gibt, wä-

ren die Hauptkandidaten für diese dunkle Materie Relikte aus den frühen Phasen des Universums. Eine Möglichkeit sind Elementarteilchen. Es gibt mehrere hypothetische Kandidaten, Teilchen, von denen wir meinen, daß sie existieren könnten.

Sehr vielversprechend ist ein Teilchen, für das es gute Anhaltspunkte gibt, das Neutrino. Früher hatte man angenommen, es habe keine eigene Masse, aber einige jüngere Beobachtungen legen den Schluß nahe, daß das Neutrino möglicherweise doch eine kleine Masse besitzt. Wenn sich diese Vermutung bestätigt und die Messungen den richtigen Wert ergeben, könnten Neutrinos genügend Masse stellen, um die Dichte des Universums auf den kritischen Wert zu bringen.

Eine andere Möglichkeit sind Schwarze Löcher. Es ist denkbar, daß das frühe Universum einen sogenannten Phasenüber-gang durchlaufen hat. Das Kochen und Gefrieren von Wasser

sind Beispiele für Phasenübergänge. Dabei entwickelt ein zu-nächst gleichförmiges Medium, wie Wasser, Unregelmäßigkeiten (bei Wasser wären das Eisklumpen oder Dampfblasen). Diese Unregelmäßigkeiten könnten kollabieren und Schwarze Löcher bilden. Wären die Schwarzen Löcher sehr klein, dann hätten sie sich heute, wie oben beschrieben, auf Grund der Auswirkungen des Unbestimmtheitsprinzips möglicherweise schon aufgelöst.

Doch wenn sie eine Masse von mehr als einigen Milliarden Tonnen (die Masse eines Berges) hätten, wären sie heute noch vorhanden und sehr schwer zu entdecken.

Dunkle Materie, die sehr gleichförmig über das Universum verteilt ist, könnten wir nur an ihrem Einfluß auf die Expansion des Universums erkennen. Man kann bestimmen, wie rasch die Expansion sich verlangsamt, indem man die Geschwindigkeit mißt, mit der ferne Galaxien von uns fortstreben. Entscheidend ist dabei, daß wir diese Galaxien in jener frühen Vergangenheit beobachten, als das Licht sie verließ und sich auf die lange Reise zu uns begab. Man kann in einer Grafik die Geschwindigkeit der Galaxien abhängig von ihrer scheinbaren Helligkeit (Magni-tude) darstellen, die ein Maß für ihre Entfernung von uns ist.

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