S t e p h e n W. H a w k i n g. E i n s t e i n s T r a u m

ßen, dichten Medium, das, wie man meint, kurz nach dem Urknall, der Ursprungsphase des Universums, existiert hat. Solche

«urzeitlichen» Schwarzen Löcher sind für die Quanteneffekte, die ich hier beschreiben möchte, von allergrößtem Interesse. Ein Schwarzes Loch mit dem Gewicht von einer Milliarde Tonnen (was ungefähr der Masse eines Berges entspricht) würde einen Radius von ungefähr 10~13 Zentimeter aufweisen (die Größe eines Neutrons oder Protons). Es könnte sich in einer Umlauf-

bahn entweder um die Sonne oder um das Zentrum der Galaxis befinden.

Der erste Hinweis darauf, daß möglicherweise eine Verbindung zwischen Schwarzen Löchern und der Thermodynamik existiert, ergab sich 1970 mit der mathematischen Entdeckung, daß die Oberfläche des Ereignishorizonts, der Grenze eines Schwarzen Loches, stets anwächst, wenn zusätzliche Materie oder Strahlung in das Schwarze Loch dringt. Mehr noch: Wenn zwei Schwarze Löcher zusammenstoßen und zu einem einzigen Schwarzen Loch verschmelzen, so ist die Horizontfläche des resultierenden Schwarzen Loches größer als die Flächensumme der Ereignishorizonte, die die ursprünglichen Schwarzen Löcher umgeben haben. Diese Eigenschaften lassen auf eine Verwandt-schaft zwischen der Fläche des Ereignishorizonts eines Schwarzen Loches und dem Entropiebegriff in der Thermodynamik schließen. Entropie kann man verstehen als ein Maß für die Unordnung eines Systems oder, was das gleiche ist, als ein Maß für unsere Unkenntnis seines genauen Zustands. Der berühmte Zweite Hauptsatz der Thermodynamik besagt, daß die Entropie mit der Zeit stets zunimmt.

Die Analogie zwischen den Eigenschaften Schwarzer Löcher und den Gesetzen der Thermodynamik ist von James M. Bardeen von der University of Washington, von Brandon Carter, der heute am Observatorium Meudon arbeitet, und von mir aus-geweitet worden. Der Erste Hauptsatz der Thermodynamik besagt, daß eine kleine Veränderung in der Entropie eines Systems stets mit einer proportionalen Veränderung in der Energie des Systems einhergeht. Der Proportionalitätsfaktor wird die Temperatur des Systems genannt. Bardeen, Carter und ich entdeckten ein ähnliches Gesetz, das die Veränderung in der Masse eines Schwarzen Loches in Beziehung zur Veränderung in der Fläche des Ereignishorizonts setzt. Hier bezieht der Proportionalitätsfaktor eine Größe ein, die als Oberflächenschwere bezeichnet

wird und die ein Maß für die Stärke des Gravitationsfeldes am Ereignishorizont liefert. Wenn man akzeptiert, daß die Fläche des Ereignishorizonts der Entropie analog ist, so müßte man auch akzeptieren, daß die Oberflächenschwere der Temperatur analog ist. Unterstrichen wird die Ähnlichkeit dadurch, daß sich die Oberflächenschwere an allen Punkten des Ereignishorizonts als gleich erweist, genauso wie die Temperatur eines Körpers im thermischen Gleichgewicht überall gleich ist.

Obwohl offensichtlich eine Ähnlichkeit zwischen der Entropie und der Fläche des Ereignishorizonts besteht, war für uns nicht ersichtlich, wie sich die Fläche als Entropie eines Schwarzen Loches kenntlich machen ließ. Was ist unter der Entropie eines Schwarzen Loches zu verstehen? Die entscheidende Anregung kam 1972 von Jacob D. Bekenstein, der damals noch an der Princeton University studierte und heute an der Universität von Negev in Israel arbeitet. Bekenstein brachte folgenden Ge-dankengang vor: Wenn ein Schwarzes Loch durch einen Gravitationskollaps geschaffen wird, nimmt es rasch einen stationä-

ren Zustand an, der durch lediglich drei Parameter gekennzeichnet ist – die Masse, den Drehimpuls und die elektrische Ladung. Von diesen drei Eigenschaften abgesehen, bewahrt das Schwarze Loch keine anderen Einzelheiten des kollabierten Objekts. Diese Schlußfolgerung, bekannt als das Theorem «Ein Schwarzes Loch hat keine Haare», wurde in gemeinsamer Arbeit von Carter, Werner Israel von der University of Alberta, David C. Robinson vom King’s College in London und von mir bewiesen.

Das Keine-Haare-Theorem besagt, daß im Zuge des Gravitationskollapses außerordentlich viel Information verlorengeht.

Beispielsweise spielt es für den Endzustand eines Schwarzen Loches keine Rolle, ob der kollabierte Körper aus Materie oder Antimaterie bestand und ob er sphärisch oder von extrem unre-gelmäßiger Form war. Mit anderen Worten: Ein Schwarzes

Loch von gegebener Masse, gegebenem Drehimpuls und gegebener elektrischer Ladung könnte durch den Zusammensturz einer großen Zahl verschiedener Materiekonfigurationen entstanden sein. Wenn man gar die Quanteneffekte vernachlässigt, so wäre die Zahl der Konfigurationen unendlich, da das Schwarze Loch durch den Zusammensturz einer Wolke von unendlich vielen Teilchen mit unendlich kleiner Masse hätte gebildet werden können.

Die Unschärferelation der Quantenmechanik besagt jedoch, daß sich ein Teilchen von der Masse m wie eine Welle von der Länge h/mc verhält, wobei h die Plancksche Konstante (die winzige Zahl von 6,62 x 10-27 erg-Sekunden) und c die Lichtgeschwindigkeit ist. Es hat den Anschein, daß diese Wellenlänge kleiner als das entstehende Schwarze Loch sein müßte, damit eine Teilchenwolke zu einem Schwarzen Loch zusammenstürzen könnte. Deshalb ist zu vermuten, daß die Anzahl der Konfigurationen, aus denen ein Schwarzes Loch von bestimmter Masse, bestimmtem Drehimpuls und bestimmter elektrischer Ladung entstehen könnte, zwar sehr groß, aber doch endlich ist.

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